So heißt das Themenheft: Still(e)zeit, heilige Zeit
Die Bedeutung des Stillens für Mutter und Kind
Stillen ist die natürliche und damit beste Ernährung für einen Säugling. Muttermilch enthält wertvolle Nährstoffe und Substanzen. Sie sind für die gesunde Entwicklung und das Wachstum des Kindes bedeutsam und unterstützen die Reifung und Abwehrkraft des Immunsystems und der Darmflora. Dadurch besteht für gestillte Kinder u. a. ein geringeres Risiko, an Infektionen zu erkranken. Für das spätere Leben lässt sich ein niedrigeres Risiko für beispielsweise Übergewicht und Diabetes nachweisen [1, 2].
Das Stillen fördert zudem das psychische Wohlbefinden von Mutter und Kind. Stillen wird sowohl mit verbesserten kognitiven Leistungen als auch mit einem verbesserten „Erleben und Verhalten der Mutter“ in Verbindung gebracht [3]. Das „Bindungshormon“ Oxytocin spielt dabei eine wichtige Rolle. Es wird beim Stillen ausgeschüttet und stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind. Dadurch kann es zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber dem Kind führen [3]. Nicht nur das Kind profitiert vom Stillen, sondern auch seine Mutter. Frauen, die gestillt haben, bekommen seltener Eierstock- und Brustkrebs und haben ein geringeres Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Zudem erfolgt die Rückbildung der Gebärmutter schneller als bei nicht-stillenden Müttern [1, 2].
Neben der gesundheitlichen Bedeutung für Mutter und Kind ist Muttermilch praktisch und kostenlos. Sie bietet dem Kind genau die Nährstoffzusammensetzung, die es braucht und ist im Gegensatz zu Flaschenmilch überall und jederzeit verfügbar. Sie ist ideal temperiert und hygienisch vollkommen unbedenklich [1, 2]. Zudem wird Zeit gespart, da Einkauf und Zubereitung der Flaschenmilch sowie das Abspülen von Flaschen und Saugern wegfallen. Gerade nachts ist Stillen die bequemste Art, ein Kind zu ernähren, da nichts vorbereitet werden muss.
Erfolgreicher Stillstart
Das erste stillen nach der Geburt
Für einen guten Stillstart soll das (gesunde) Baby gleich nach der Geburt – auch nach einem Kaiserschnitt – „skin to skin“ (also mit direktem Hautkontakt) auf den Bauch der Mutter gelegt werden und dort ungestört bleiben bis nach dem ersten Stillen. Auf diese Art und Weise wird es dem Kind ermöglicht eigenständig die Brustwarze zu finden [1]. Dazu ist es bereits in der Lage. Ist die Mutter aus medizinischen Gründen nicht in der Lage das Kind auf ihrem Bauch zu haben, kann dies der Papa oder die Begleitperson übernehmen. Sobald die Mutter bereit dazu ist, darf sie ihr Baby gerne mit viel Hautkontakt bei sich haben.
Stillen in den ersten Tagen
Häufiges Stillen ist in der ersten Zeit die beste Voraussetzung dafür, dass die Milchbildung gut einsetzen kann. Innerhalb der ersten Lebenswochen ist es daher wichtig, das Kind besonders häufig – acht- bis zwölfmal pro 24 Stunden – anzulegen.
Bis die Milchproduktion in Gang gekommen ist, sollten zwischen den einzelnen Stillmahlzeiten nicht mehr als drei bis vier Stunden liegen [1]. Schläft das Kind nachts länger, kann es spätestens vier Stunden nach der letzten Stillmahlzeit geweckt werden.
Für eine gute „Stillatmosphäre“ zu Hause empfiehlt es sich, gerade zu Anfang eine ruhige und gemütliche Ecke herzurichten, in der für den Durst ein Glas oder eine Flasche Wasser bereitsteht. Während des Stillens sollten Fernseher oder Smartphone nicht genutzt werden. Die Konzentration ist voll und ganz auf das Kind gerichtet. Das fördert die Bindung zwischen Mutter und Kind [4].
Mütter brauchen sich nicht entmutigen lassen, wenn es nicht von Anfang an reibungslos klappt. Mutter und Kind müssen sich erst aufeinander einstellen. Für beide ist es eine neue und unbekannte Situation. Beim Auftreten von Problemen sollte sich die Mutter so schnell wie möglich unterstützen lassen. Für fast alle Stillprobleme gibt es eine Lösung. Hebammen sind in diesem Fall die idealen Ansprechpersonen. Sie unterstützen beim Stillstart und stehen für alle Fragen rund um das Thema Stillen zur Verfügung. Zudem können Still- und Laktationsberaterinnen für Tipps und weitere Unterstützung – allerdings kostenpflichtig – herangezogen werden. Werdende Mütter können auch schon während der Schwangerschaft Stillvorbereitungskurse besuchen oder zur Stillberatung gehen, um sich besser auf die Situation vorbereiten zu können.
Richtiges Anlegen und Stillpositionen
Es gibt eine Vielzahl von Stillpositionen: u. a. die Wiegehaltung im Sitzen, die Rückenhaltung im Sitzen oder das Stillen im Liegen [5, 6]. In jeder Stillposition sollen Mutter und Kind einander zugewandt sein (Bauch an Bauch). Das Kind sucht die Brustwarze allein und ergreift sie mit weit geöffnetem Mund; anfangs gelingt dies am besten mit etwas Hilfe von seiner Mutter. Sowohl die Brustwarze als auch ein großer Teil des Vorhofes sollten vom Kind in den Mund aufgenommen werden [6]. Das richtige Anlegen in einer bequemen Stillposition kann Stillbeschwerden wie wunde Brustwarzen verhindern und damit auch einem frühzeitigen Abstillen vorbeugen [5]. Hebammen oder Pflegepersonal stehen im Krankenhaus beim Anlegen beratend zur Seite und unterstützen bei Bedarf.
Aufstoßen/Bäuerchen
Ein Bäuerchen nach jedem Stillen ist nicht nötig. Manche Kinder stoßen wenig bis gar nicht auf. Dies hängt unter anderem von ihrem Trinkverhalten ab. Wenn ein Kind sehr hastig trinkt, kann es dabei auch etwas Luft verschlucken. In dem Fall kann ein Aufstoßen hilfreich sein. Am besten wird das Baby dafür über die Schulter gelegt, so dass Bauch und Brust aufliegen, und sanft auf den Rücken des Babys geklopft.
Stillen nach Bedarf
Für die Stillpraxis lautet die Empfehlung: Die Häufigkeit und die Dauer des Stillens sollen von den Bedürfnissen des Säuglings abhängig gemacht werden – das sog. „Stillen nach Bedarf“. Das Kind zeigt der Mutter, dass es Hunger hat, indem es beispielsweise an den Fäusten saugt oder unruhig wird [7]. Zudem können Zungenbewegungen oder Augenrollen Signale sein. Nimmt die Mutter Hungersignale ihres Kindes wahr, legt sie das Kind an die Brust.
Schreien oder größere Unruhe machen deutlich, dass das Kind schon seit längerer Zeit Hunger hat. Je jünger die Kinder sind, desto schneller sollten die ersten Hungerzeichen erkannt und das Baby angelegt werden.
Die Stillmahlzeit beendet das Kind von allein. Wenn es satt ist, wird es die Brustwarze selbstständig loslassen, nicht länger nach der Brust suchen, einschlafen oder umhergucken, ohne die Brust zu suchen. Das Kind sollte beim Stillen nicht unterbrochen werden.
Stilldauer pro Stillmahlzeit sowie Trinkmenge
Stilldauer pro Stillmahlzeit
Da das Kind über die Stilldauer pro Mahlzeit selbst entscheidet, gibt es dazu keine zeitlichen Empfehlungen. In der Regel liegt die Stilldauer zwischen 10 und 45 Minuten. Beginnen die Kinder zu saugen wird ihr Durst zunächst durch die dünnflüssige Muttermilch gestillt. Anschließend wird die Milch etwas fetthaltiger und dickflüssiger und dient der Sättigung [8].
Trinkmenge
Die Trinkmenge kann pro Tag und Stillmahlzeit variieren. In der Regel wird ausreichend Milch produziert, wenn das Kind so häufig und so lange trinkt, wie es möchte. Der häufige Hautkontakt mit der Mutter reguliert die Milchbildung zudem hormonell und unterstützt den Milchspendereflex. Solange das Kind gut gedeiht, hörbares Schlucken beim Trinken des Babys zu vernehmen ist und es oft genug eine volle, nasse Windel hat, gibt es keinen Grund sich über die Trinkmenge zu sorgen [9].
Ein Zufüttern anderer Flüssigkeiten, wie Tee oder Wasser ist nicht nötig. Falls das Kind nicht gut zunimmt, sollte eine Zufütterung von künstlicher Säuglingsnahrung nur in Absprache mit der Hebamme, der Still- und Laktationsberaterin oder der Kinderärztin bzw. dem Kinderarzt erfolgen. Auf Fläschchen oder andere künstliche Sauger sollte in den ersten Wochen möglichst verzichtet werden. Das Saugen an einem künstlichen Sauger unterscheidet sich vom Saugen an der Brust. Es gibt zwar Kinder, die problemlos zwischen Brust und Flasche wechseln können. Andere Kinder verlernen jedoch das effektive Saugen an der Brust, weil sie durch das Saugen am Sauger ein anderes Bewegungsmuster erlernt haben (Saugverwirrung) [10].
Wie lange werden Kinder ausschließlich gestillt?
Säuglinge sollten ungefähr sechs Lebensmonate ausschließlich gestillt werden, denn Muttermilch ist genau für ihre Bedürfnisse optimal zusammengesetzt. Die zusätzliche Gabe von Wasser oder Babytee wird nicht empfohlen, auch nicht im Sommer, wenn es heiß ist.
Im zweiten Lebenshalbjahr steigt der Bedarf an Nährstoffen wie z. B. Eisen und Zink. Deshalb brauchen Säuglinge dann zusätzlich zur Muttermilch andere Nahrung. Die Zeit der Beikosteinführung beginnt. Anhand von speziellen Reifezeichen zeigen die Kinder, wann sie dafür bereit sind. Bei den meisten Kindern sind diese Reifezeichen im Alter von ungefähr sechs Monaten vorhanden, bei einigen schon etwas früher und bei manchen auch später. Beikost sollte jedoch frühestens zu Beginn des fünften Lebensmonats und nicht später als zu Beginn des siebten Lebensmonats angeboten werden.
Mehr Informationen zu den Reifezeichen erhältst du im Text zum Thema „Beikost“. Familien können sich ausführlich von ihrer Hebamme oder ihrer Kinderärztin bzw. ihrem Kinderarzt beraten lassen.
Stillbeschwerden
Speziell in den ersten Wochen der Stillzeit können verschiedene Probleme auftreten wie beispielsweise wunde Brustwarzen, Milchstau oder zu wenig Milch. Treten Schmerzen beim Stillen auf, muss möglichst schnell die Hebamme hinzugezogen werden. Auch Still- und Laktationsberaterinnen bieten fachkundige Hilfestellungen und Tipps. Der Besuch einer Stillgruppe ist häufig auch sehr hilfreich. Um Stillprobleme zu vermeiden, hilft es, ab Beginn der Stillzeit darauf zu achten, dass das Kind häufig und vor allem korrekt angelegt wird.
Umgang mit abgepumpter Muttermilch
Das Abpumpen von Muttermilch kann vielseitige Gründe haben, wie z. B. eine Krankheit des Kindes, der Berufseinstieg der Mutter oder der Wunsch nach mehr Freiraum [11].
Wenn das Kind nicht an der Brust gestillt werden kann, ist es möglich die Muttermilch mit der Hand zu entleeren oder mit einer Handmilchpumpe oder elektrischen Milchpumpe abzupumpen. Die Milch kann anschließend mittels einer Flasche, eines Bechers oder mit einem Löffel zugefüttert werden. Beim Abpumpen, Aufbewahren, Erwärmen der Muttermilch und bei der Reinigung der Pumpe sollte auf eine sorgfältige Hygiene geachtet werden. Dazu haben das Bundesinstitut für Risikobewertung und die Nationale Stillkommission detaillierte Merkblätter sowohl für Eltern als auch für Kindertageseinrichtungen und die Tagespflege verfasst [1]. Du findest die Dokumente auf der Website des Bundesinstitutes für Risikobewertung unter den Suchbegriffen „Muttermilch KiTa“. Die La Leche Liga bietet dazu ein übersichtliches Infoblatt auf ihrer Website unter den kostenfreien Downloads.
Worauf soll die Mutter in der Stillzeit achten?
Ernährung
Während der Stillzeit wird eine ausgewogene, abwechslungsreiche und regelmäßige Ernährung empfohlen. Das heißt:
- reichlich pflanzliche Lebensmittel wie verschiedenes Obst und Gemüse, Getreideerzeugnisse wie Vollkornnudeln, Reis oder Kartoffeln,
- mäßig tierische Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Milchprodukte,
- selten fett- und zuckerreiche Lebensmittel.
Zudem besteht für stillende Mütter ein größerer Bedarf an Energie. Dieser kann z. B. durch eine zusätzliche Scheibe Vollkornbrot oder ein Glas Milch gedeckt werden.
Es wird empfohlen, zu jeder Stillmahlzeit ein Glas Wasser zu trinken, um eine ausreichende Trinkmenge zu gewährleisten. Wenn bei der Mutter keine Schilddrüsenerkrankung vorliegt, sollte sie während der Stillzeit sowohl Jodsalz verwenden als auch täglich 100 Mikrogramm Jod in Tablettenform einnehmen [1].
Mütter müssen, anders als in der Schwangerschaft, nicht mehr auf bestimmte Lebensmittel verzichten. Der Verzehr von Lebensmitteln, wie Zwiebeln, Kohl oder Zitrusfrüchten ist in der Regel kein Problem. Blähungen oder einen wunden Po beim Kind gibt es in diesem Zusammenhang nur selten [1].
Eine ausgewogene vegetarische Ernährung mit Milch und Eiern (ovolaktovegetarisch) ist auch in der Stillzeit kein Problem. Bei einer veganen Ernährung ist es sinnvoll, sich von einer Ernährungsfachkraft beraten lassen, damit dem Kind alle nötigen Spurenelemente und Vitamine zur Verfügung stehen. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist für die Mutter dabei unabdingbar [1].
Von Alkohol wird abgeraten, da dieser in die Muttermilch übergeht. Wollen Mütter auf ein Glas Wein oder Sekt nicht verzichten, sollte das Kind vor dem Konsum des Alkohols gestillt werden und ein bis zwei Stunden bis zur nächsten Stillmahlzeit gewartet werden [1].
Raucht eine Mutter in der Schwangerschaft, ist das für das Baby extrem schädlich. Ähnliches gilt für die Stillzeit. Die Umgebung des Kindes soll rauchfrei sein. Das Nervengift Nikotin und andere giftige Stoffe gelangen in die Muttermilch. Sie können zu Atemwegserkrankungen, Allergien und anderen Gesundheitsproblemen beim Kind führen [1]. Das Risiko für den plötzlichen Kindstod ist bei den Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft geraucht haben und deren Umgebung nicht rauchfrei ist, deutlich erhöht. Einer rauchenden Mutter soll aber nicht vom Stillen abgeraten werden. Es ist immer noch besser zu rauchen und zu stillen, als zu rauchen und künstliche Babynahrung zu füttern. Die Milchproduktion kann allerdings bei rauchenden Müttern vermindert sein. Zur Ernährung in der Stillzeit können sich Mütter von ihrer Frauenärztin bzw. ihrem Frauenarzt und ihrer Hebamme beraten lassen.
Medikamente
Werden während der Stillzeit Medikamente benötigt, sollte die Einnahme, ob verschreibungspflichtig oder nicht, nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.
Sehr viele Medikamente können auch in der Stillzeit eingenommen werden. Es muss also fast nie abgestillt werden, sollte die Einnahme eines Medikaments nötig werden [12, 13]. Die Sicherheit von Arzneimitteln während der Schwangerschaft und Stillzeit kann auf der Website www.embryotox.de des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie überprüft werden [1].
Bewegung in der Stillzeit
Stillenden Müttern wird empfohlen, sich auch in der Stillzeit mindestens 30 Minuten am Tag mit moderater Intensität bewegen [1].
Stillen und Erwerbstätigkeit
Durch das bestehende und Anfang 2018 erneuerte Mutterschutzgesetz soll es Müttern ermöglicht werden, die Erwerbstätigkeit mit dem Stillen zu vereinbaren [14].
Viele Frauen stillen wegen der Berufstätigkeit vorzeitig ab. Dies kann jedoch mit Unterstützung von der Partnerin bzw. dem Partner, der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber sowie Kolleginnen und Kollegen vermieden werden.
Es ist hierbei hilfreich und wichtig, frühzeitig die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber und Kolleginnen und Kollegen auf den Stillwunsch und die Gestaltung der Stillzeiten im Betrieb anzusprechen. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber ist verpflichtet, die gesetzlichen Schutzmaßnahmen einzuhalten und die Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse der stillenden Arbeitnehmerinnen anzupassen [15]. Durch das Mutterschutzgesetz steht der stillenden Mutter nach Rückkehr an den Arbeitsplatz zwölf Monate lang das Recht zu, bei einem regulären Arbeitstag von acht Stunden, eine Stunde für das Stillen oder das Abpumpen freigestellt zu werden. Diese Zeit kann auf zwei halbstündige Stillpausen aufgeteilt werden und darf weder von den regulären Ruhepausen abgezogen noch muss sie vor- oder nachgearbeitet werden [14, 16].
Was tun, wenn die Mutter nicht stillen will oder kann?
Die Entscheidung der Mutter für oder gegen das Stillen wird respektiert. Wichtig ist, dass die Mutter über die gesundheitliche Bedeutung des Stillen für sich selbst und ihr Kind gut informiert ist und auf dieser Grundlage eine Entscheidung trifft, ob sie stillen möchte oder eben nicht.
Wenn das Kind nicht gestillt werden kann oder soll, sollte auf die richtige Auswahl des Milchpulvers und dessen hygienische Zubereitung geachtet werden. Für das ganze erste Lebensjahr wird eine Pre-Nahrung oder 1er-Nahrung empfohlen. Mit dieser wird der Säugling mindestens bis zum fünften Lebensmonat, wenn dann schon Beikost eingeführt wird, ausschließlich gefüttert. Die Zufütterung von Wasser oder Tee ist auch bei der Gabe von Flaschennahrung erst nötig, wenn das Baby den dritten Beikostbrei bekommt. Wasser aus dem Becher ist das Getränk der Wahl.
Der Wechsel zu einer Folgenahrung (2er-Nahrung) ist weder nötig noch wird er empfohlen. Wenn aber doch gewünscht, sollte dies frühestens nach dem sechsten Lebensmonat und mit Einführung der Beikost geschehen [1, 17, 18].
Säuglingsmilch darf niemals selbst hergestellt werden, weil eine korrekte Nährstoffzusammensetzung dadurch nicht möglich ist [1, 18]. Die hygienische Zubereitung der Flaschenmilch, mit sauberen Händen und gereinigten Flaschen und Saugern, ist wichtig. Wenn die Wasserqualität überprüft wurde, ist Leitungswasser für künstliche Säuglingsnahrung durchaus geeignet. Das Wasser soll dafür zunächst so lange laufen, bis es richtig kalt ist und kann dann auf die passende Temperatur erwärmt werden. Wegen einer eventuellen Keimbesiedlung sollte das warme Wasser nicht aus einem Boiler kommen [1, 18].
Auch ein Kind, das mit der Flasche ernährt wird, braucht viel Nähe. Die Flasche sollte deshalb in engem Hautkontakt gefüttert werden.
Die Frage nach dem Abstillen
Irgendwann wird sich für Mütter die Frage nach dem Abstillen stellen. Den Abstillzeitpunkt bestimmen Mutter und Kind optimalerweise gemeinsam. Wollen bzw. müssen Mütter abstillen, sollte dem Kind die Brust nicht mehr aktiv angeboten, jedoch auch nicht verweigert werden. So kann die Stillmenge kindgerecht und schonend für die Brust gleichmäßig reduziert werden. Der Körper produziert so automatisch immer weniger Milch.
Der Prozess dauert je nach Kind unterschiedlich lange. Mütter sollten sich dafür ausreichend Zeit nehmen. Wird das Kind vor dem ersten Geburtstag abgestillt, braucht es eine industriell hergestellte Säuglingsnahrung. Für das erste Lebensjahr gibt es hierfür die Pre-Nahrung oder 1er-Nahrung.
Da das Stillen nicht nur Ernährung ist, sondern auch die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt, brauchen Kinder während des Abstillens besondere Zuwendung. Streicheln, Kuscheln und mit dem Kind sprechen helfen dabei. Müssen Mütter plötzlich und schnell abstillen oder erkranken, wenden sie sich am besten an eine Hebamme [19].
Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Stillen“
- Stillen bietet dem Kind den besten Start ins Leben. Es ist die natürlichste Art, ein Kind zu ernähren.
- Muttermilch hat die ideale Nähstoffzusammensetzung; unterstützt die Reifung und Abwehrkraft des Immunsystems und der Darmflora des Kindes; ist ideal temperiert und hygienisch unbedenklich; trägt zur Rückbildung der Gebärmutter der Mutter bei; ist praktisch, kostenlos, überall und jederzeit verfügbar; spart Zeit und Geld; ist vor allem nachts sehr bequem.
- Stillen heißt auch, das Bedürfnis des Kindes nach Nähe und Körperkontakt zu stillen. Dabei unterstützt es die Bindung zwischen Mutter und Kind.
- Ein guter Stillstart ist wichtig für eine lange und gute Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind.
- Für werdende Mütter ist es ideal, sich bereits während der Schwangerschaft auf das Stillen vorzubereiten. Denn eine gute Stillvorbereitung erleichtert den Stillstart.
- Das Stillen zu erlernen, braucht Zeit. Mutter und Kind müssen einander kennenlernen und sich einspielen. Dieser Prozess kann ein bisschen dauern, doch es lohnt sich.
- Säuglinge sollten ungefähr die ersten sechsten Lebensmonats ausschließlich gestillt werden. Sie benötigen in der Zeit keine weiteren Flüssigkeiten. Beikost wird, abhängig von den Reifezeichen des Kindes, frühestens zu Beginn des fünften, spätestens zu Beginn des siebten Lebensmonats eingeführt.
- Säuglinge sollten mindestens noch im zweiten Lebenshalbjahr nach ihrem Bedarf weiter gestillt werden. Muttermilch bleibt ein Hauptnahrungsmittel.
- Muss oder soll ein Kind mit abgepumpter Muttermilch ernährt werden, sind besondere hygienische Vorsichtsmaßnahmen zu beachten.
- Zugefüttert werden sollte nur nach Rücksprache mit einer Fachperson.
- Arbeitenden stillenden Müttern steht nach Rückkehr an den Arbeitsplatz 12 Monate lang bei einem 8-Stunden-Arbeitstag eine einstündige Still- oder Abpumppause zu.
- Es ist das Recht einer jeden Mutter auch in der Öffentlichkeit zu stillen. Stillen ist die natürlichste Sache der Welt. Die Öffentlichkeit muss dies erst (wieder) lernen.
- Ob eine Mutter ihr Kind stillen möchte, ist ihre Entscheidung. Es ist wichtig, dass Mütter über die gesundheitliche Bedeutung des Stillens gut informiert sind und auf Grundlage dessen eine individuelle Entscheidung für sich und ihr Kind treffen. Auch Väter sollten mit einbezogen werden.
Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Stillen bietet dem Kind den besten Start ins Leben und ist auch für das weitere Leben Gesundheitsprävention pur: „Wenn es das Stillen nicht schon gäbe, würde jemand, der es heute erfinden würde, einen doppelten Nobelpreis in Medizin und Wirtschaft verdienen. Denn Muttermilch ist die beste Vorsorge für eine lebenslange Gesundheit […] und auch die nachhaltigste Investition in körperliche, kognitive und soziale Fähigkeiten“ (Keith Hansen, Vize-Präsident der Welt Bank (frei übersetzt)) [20].
Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Das Stillen ist das Normalste und Beste für Mutter und Kind. Wenn das Stillen nicht von Anfang an klappt, sollten sich Mütter nicht entmutigen lassen. Mutter und Kind müssen sich erst aufeinander einstellen. Für beide ist es eine neue und unbekannte Situation.
Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,
- Tausch dich mit deiner Netzwerkfamilie zum Stillen auf Augenhöhe aus. Beziehe dabei auch die Partnerin bzw. den Partner der Mutter mit ein. Ihre bzw. seine Haltung kann sich positiv auf den Stillbeginn als auch auf die Dauer des Stillens auswirken.
- Mütter sollten die Bedeutung des Stillens kennen.
- Gib den Frauen den Mut, das Selbstverständnis und das Selbstvertrauen, ihr Kind stillen zu können.
- Empfiehl als Familienpatin bzw. Familienpate den werdenden Müttern regionale Angebote rund um das Thema Stillen. Deine Netzwerkkoordination steht dir als Ansprechperson dafür gerne zur Verfügung.
- Nicht jede Frau möchte stillen. Diese Entscheidung gilt es zu respektieren.
Du möchtest dich oder deine Netzwerkfamilie möchte sich weiter zum Thema „Stillen“ informieren?
Im Infopool des Netzwerkes Gesunde Kinder gibt es sorgfältig ausgesuchte Literatur zum Weiterlesen. > zum Infopool „Ernährung“
Autorenschaft und Literatur
Autorenschaft
Landeskoordinierungsstelle Netzwerk Gesunde Kinder
Behlertstr. 3a, Haus K3, 14467 Potsdam
Tel: 0331 88762013
E-Mail: info-ngk@gesundheitbb.de
Fachliche Beratung
Aleyd von Gartzen
Beauftragte für Stillen und Ernährung im Deutschen Hebammenverband e. V.
Lüneburger Damm 30, 30625 Hannover
Tel.: 0511 10553678
E-Mail: von-gartzen@hebammenverband.de
Verwendete Literatur
[1] B. Koletzko, C.-P. Bauer, M. Cierpa und et al., „Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen – Aktualisierte Handlungsempfehlungen von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie““. Monatsschrift Kinderheilkunde, Bd. 164, S. 433-457, 2016.
[2] BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, „Schon übers stillen nachgedacht?“ 2018. Online verfügbar unter: http://www.gesund-ins-leben.de/inhalt/vorbereitung-zum-stillen-29422.html. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[3] K. M. Krol und T. Grossmann, „Psychological effects of breastfeeding on children and mothers.,“ Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Stillen in Deutschland, 8 (61), S. 977-985, 2018.
[4] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Hilfreiche Tipps für den Stillalltag,“ 2019. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/alltagstipps/stillen/stillalltag/. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[5] La Leche Liga Deutschland e. V., „Anlegen und Stillpositionen,“ 2013. Online verfügbar unter: https://www.lalecheliga.de/images/Infoblaetter/LLL_Anlegen_und_Stillpositionen.pdf. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[6] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Stillpositionen für ein gutes Gelingen,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/fileadmin/user_upload/kindergesundheit-info.de/Infografiken/Infografiken_als_PDF/Stillpositionen-Tipps_BZgA_kindergesundheit-info.pdf. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[7] La Leche Liga Deutschland e.V., „Tipps: So fließt reichlich Muttermilch,“ 2012. Online verfügbar unter: https://www.lalecheliga.de/images/Infoblaetter/LLL_So_fliesst_reichlich_Muttermilch.pdf. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[8] BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, „Stillen. Das Beste für Mutter und Kind.,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.gesund-ins-leben.de/inhalt/stillen-29433.html. [Zugriff am 29. 01. 2019].
[9] La Leche Liga Deutschland e.V., „Trinkt mein Baby genug Milch?“ 2012. Online verfügbar unter: https://www.lalecheliga.de/images/Infoblaetter/LLL_Trinkt_mein_Baby_genug_Milch.pdf. [Zugriff am 17. 05. 2019].
[10] Z. Bauer, „Müttermilch oder Säuglingsmilch stillfreundlich füttern,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.still-lexikon.de/stillfreundliche-fuetterungsmethoden-von-muttermilch-oder-saeuglingsmilch/#saugverwirrung. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[11] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Abpumpen,“ 2016. Online verfügbar unter: https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/nach-der-geburt/das-wochenbett-von-a-bis-z/stillen-von-a-bis-z/abpumpen/. [Zugriff am 30. 01. 2019].
[12] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Stillen und Medikamente,“ 2016. Online verfügbar unter: https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/nach-der-geburt/das-wochenbett-von-a-bis-z/stillen-von-a-bis-z/stillen-und-medikamente/. [Zugriff am 30. 01. 2019].
[13] Europäisches Institut für Stillen und Laktation, „Erkrankung der stillenden Mutter,“ o. J.. Online verfügbar unter: http://www.stillen-institut.com/de/erkrankungen-mutter.html. [Zugriff am 30. 01. 2019].
[14] BMJV – Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz, „Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium,“ 2017. Online verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/MuSchG.pdf. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[15] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Stillen und Beruf,“ 2017. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/alltagstipps/stillen/berufstaetigkeit/. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[16] Z. Bauer, „Stillen im neuen Mutterschutzgesetz: Die wichtigsten Regelungen.,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.still-lexikon.de/stillen-im-neuen-mutterschutzgesetz-die-wichtigsten-regelungen/. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[17] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Säuglingsmilch für die Flasche,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/0-12-monate/flaschenmilch/. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[18] BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, „Wenn Sie nicht stillen,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.gesund-ins-leben.de/inhalt/saeuglingsnahrung-29434.html. [Zugriff am 31. 01. 2019].
[19] Z. Bauer, „Der Abstillprozess,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.still-lexikon.de/der-abstillprozess/. [Zugriff am 18. 10. 2018].
[20] K. Hansen, „Breastfeeding: a smart investment in people and in economies,“ The Lancet 10017 (2016) 387, S. 416, 2016