1280
1160
1024
940
800
767
600
480
360
320

Krankheiten

So heißt das Themenheft: Kinder werden krank – und das ist auch gut so

Kaum ein Thema macht Eltern so nervös wie die Frage nach einer Erkrankung des Kindes – gut verständlich, denn Kinderkrankheiten sind historisch gesehen eine der größten Gefahren für die Kinder überhaupt. Viele alte Hausmittel und „Uromas“ Ratschläge zeugen davon. Erfreulicherweise hat sich die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten so weit entwickelt, dass man heute für viele Erkrankungen im Kindesalter eine gute medizinische Lösung hat. Deswegen brauchen sich Eltern keine großen Sorgen mehr zu machen.

Neben den einfachen Kinderkrankheiten gibt es aber auch manchmal andere gesundheitliche Probleme: das sind vor allem angeborene Erkrankungen, z. B. genetische Erkrankungen, aber auch chronische Erkrankungen wie Herzerkrankungen, Asthma oder Diabetes. Diese Erkrankungen werden meist von Fachärztinnen betreut. Ein anderes Problem sind Unfälle im Kindesalter. Darauf gehen wir ausführlich in den Texten zum Thema Unfallprävention ein.

Krankheiten im Kindesalter

Grippaler Infekt
Durch Kontakte mit anderen Menschen bekommen die Kinder natürlich immer wieder – meist unkomplizierte – grippale Infekte. Typischerweise kaum in den ersten acht Lebensmonaten. Der sogenannte Nestschutz sorgt in dieser Zeit für eine meist stabile Gesundheit. Danach, also zwischen dem neunten Lebensmonat und dem dritten Geburtstag, sind ein bis zwei Infekte pro Monat normal. Auch wenn sie anstrengend für die Eltern sind, diese Infekte sind wichtig für die Kinder: sie stärken das Immunsystem. Nach dem dritten Geburtstag werden die Kinder dann genauso oft krank wie die Erwachsenen. Sie haben drei ausgeprägte Infekte pro Jahr, statistisch gesehen. Manchmal unterscheidet man die richtige Grippe (Influenza, kommt meist im Februar) von den sogenannten einfachen Erkältungskrankheiten, den grippalen Infekten. Für Eltern ist die Unterscheidung nicht wichtig. Infektbedingte Beschwerden sind vor allem Ohrenschmerzen, Halsweh, Kopfweh und Husten – auch der bellende Krupp-Husten. Die Beschwerden sind nachts schlimmer als tagsüber, denn dann arbeitet das Immunsystem besonders stark. Erwachsene kennen das vom Schnupfen. Bei Kindern sind Infektbeschwerden oft in den frühen Morgenstunden am stärksten ausgeprägt. Viele Eltern sorgen sich auch wegen des Fiebers (Temperatur über 38°C). Das ist meist unnötig: die erhöhte Temperatur ist wichtig für die Infektabwehr. Wer 39°C Fieber und gute Laune hat, der braucht keine Medikamente.

Der Verlauf der unkomplizierten Infekte ist oft ähnlich: am ersten Tag sind die Kinder richtig krank, bis zum dritten Tag geht es dann etwas besser. Danach ist das Fieber weg und der Körper muss alles wieder „reparieren“. Das dauert manchmal einige Wochen.

Es ist das (unkomplizierte) Schicksal der Altersklasse, dass oft in die abheilende Bronchitis der nächste Infekt hineinkommt. Dann beginnt es von vorne.

Andere Beschwerden, die zum Arztbesuch führen
Neben der Vielzahl an grippalen Infekten gibt es noch andere Erkrankungen, die zur Vorstellung bei der Kinderärztin bzw. dem Kinderarzt führen. Sehr häufig sind das Magen-Darm-Infekte, die Bauchschmerzen und Übelkeit, Fieber und Durchfall verursachen. Kleinere und oberflächliche Verletzungen der Haut durch Stürze oder Verbrennungen kann man zu Hause versorgen. Da aber Verbrennungen oft zu Schmerzen führen und manche Hautverletzungen eine besondere Therapie brauchen, kann die Vorstellung in der Praxis sinnvoll sein. Wer zum Beispiel nach einem Zeckenbiss eine runde oder kreisförmige Rötung um die Bissstelle hat, fragt am besten seine Ärztin bzw. seinen Arzt. Es kann sich um die durch Zecken übertragene Borrelieninfektion handeln.

Viele Eltern befürchten, dass mit den Beschwerden ihres Kindes eine schwerere Erkrankung beginnt, dass es schon Anzeichen einer chronischen Erkrankung sind oder dass der Verlauf der Erkrankung verschleppt ist. Es ist auch für die Kinderärztin bzw. den Kinderarzt nicht immer einfach zu unterscheiden, ob das noch normal ist oder ob ein Problem eine besondere Diagnostik und Therapie braucht. Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln, die der Ärztin bzw. dem Arzt die Entscheidung leichter macht, z. B. das Röntgen oder eine Blutuntersuchung. Und schwere Infektionen der Lunge, des Gehirns oder anderer innerer Organe sind zum Glück ohnehin sehr selten. Aber: auch im 21. Jahrhundert sind nicht alle medizinischen Diagnosen korrekt. Wenn sich die Eltern nicht sicher sind, dürfen sie gerne eine zweite Meinung von einer anderen Medizinerin bzw. einem anderen Mediziner einholen. Das ist normal. Eltern brauchen sich davor nicht scheuen.

Wie kann Krankheiten vorgebeugt werden?

Vorbeugung gegen die typischen Infekte im Kindesalter ist einfach: Bewegung und frische Luft, eine gesunde vollwertige Ernährung und gut gelaunte Eltern. Da Infekte ansteckende Erkrankungen sind, sollte man bei Niesen und Husten unbedingt Taschentücher oder ähnliches benutzen, und auch gründliches Händewaschen muss man mit Kindern (und Eltern) üben. Was dann an Kinderkrankheiten passiert, lässt sich nicht vermeiden – und braucht auch nicht vermieden zu werden, denn diese Infekte sind wichtig für die gesunde Entwicklung des Immunsystems. Weitere Maßnahmen kann man versuchen (Sauna oder „Kneippen“, zusätzliche Zufuhr von Vitamin C, Echinacea und Ähnliches) – aber eine sichere Wirksamkeit kann keine dieser Methoden versprechen. Gegen bestimmte Erkrankungen gibt es zudem Impfungen. Hierzu informieren wir im Text zum Thema Impfen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn die Kinder dann doch erkranken, müssen die Eltern entscheiden, was zu tun ist. Hausmittel und Abwarten oder doch zur Ärztin bzw. zum Arzt gehen? Gerade wenn die Eltern noch etwas unerfahren sind, ist diese Frage schwer zu beantworten und es ist für Eltern nicht immer einfach, einen klaren Kopf zu behalten. Die entscheidende Frage wird sein: gleich zur Ärztin bzw. zum Arzt oder Abwarten? Praxis oder Krankenhaus?

Leider gibt es darauf keine pauschale Antwort. Eltern müssen sich auf ihr Bauchgefühl verlassen. Sind sie unsicher, kontaktieren sie am besten eine Ärztin bzw. einen Arzt. Nicht zu empfehlen ist eine Google-Suche. Danach weiß man meist weniger als vorher und ist zudem noch mehr beunruhigt.

Im unkomplizierten Fall findet die Kinderärztin bzw. der Kinderarzt

  • ein Kind mit Fieber (Temperatur über 38°C),
  • typische Infektzeichen wie Durchfall, Schnupfen, Husten, Ohrenschmerzen,
  • bellenden Krupp-Husten, manchmal mit Atembeschwerden,
  • Verletzungen oder Verbrennungen der Haut.

Dann gibt es ein Medikament oder einen Verband und die Kinder können wieder nach Hause. Bei Besonderheiten wird die Ärztin bzw. der Arzt einen genaueren Blick auf die Symptome werfen und vielleicht auch die stationäre Betreuung empfehlen, z. B. wenn

  • Fieber ohne erkennbare Ursache oder Fieber länger als drei Tage besteht,
  • Säuglinge anhaltend schreien (45 Minuten, ohne sich beruhigen zu lassen),
  • das Kind apathisch ist oder mehrere Tage nicht ausreichend trinkt,
  • Hautausschlag mit Fieber besteht,
  • untypische Beschwerden vorliegen wie Gelenkschmerzen oder Beschwerden des Nervensystems (Lähmungen, Krampfanfälle …).

Manche Erkrankungen machen besondere Beschwerden: z. B. der Blinddarm (Schmerzen rechts unten im Bauch) oder Meningitis (Hirnhautentzündung mit Nackensteifigkeit: man kann das Kinn nicht zur Brust beugen). Sie müssen ärztlich schnell abgeklärt werden, auch nachts. Bei besonderen Beschwerden bitte ein Foto machen oder auch ein kurzes Video mit dem Smartphone. Das hilft häufig in der Praxis, um die Beschwerden besser zuzuordnen.

An wen kann man sich konkret wenden?

Bei akuten Erkrankungen des Kindes stehen eine Reihe von kompetenten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern zur Verfügung:

  1. Die Kinderarztpraxis zu den normalen Sprechzeiten.
  2. Der ärztliche Bereitschaftsdienst (Telefon: 116117), wenn die Praxis zu ist. Manche Bereitschaftsärztinnen und Bereitschaftsärzte können bei Kinderkrankheiten gut helfen.
  3. Wenn es den Kindern sehr schlecht geht (z. B. apathisches Kind, wesensverändert; bei Atemnot; bei schweren Verbrennungen oder Knochenbrüchen) kann man auch den Krankenwagen rufen (Telefon: 112). Die wissen meist was zu tun ist und kennen die wichtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.
  4. In den Notfallambulanzen der Kinderkliniken gibt es immer kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.
  5. Vielleicht hat man Glück und kennt die Mobilnummer der Kinderärztin oder des Kinderarztes (am besten Textnachricht schicken). Manche Praxen haben auch Krankenpflegepersonal, das Hausbesuche machen kann (NÄPA, VERAH oder AGNES).

Im Allgemeinen wird man versuchen, das kranke Kind zu den normalen Sprechstundenzeiten in der Arztpraxis vorzustellen. Im Notfall bzw. wenn es dem Kind sehr schlecht geht, am besten in die Ambulanz der Kinderklinik fahren oder den Krankenwagen rufen (Telefon: 112).

Vor dem Kontakt mit der Ärztin oder dem Arzt überlegen sich die Eltern am besten, was sie brauchen und wissen möchten. Manchmal hilft es auch, die Fragen vorher aufzuschreiben.

Die Hausapotheke

Es ist gut, wenn Eltern einige Dinge zu Hause haben – vor allem deshalb, weil einfache (Infektions-) Krankheiten meist nachts oder am Wochenende Probleme machen.

Gegen infektbedingte Beschwerden wie Husten, Schnupfen, Ohrenschmerzen, Bauchweh, Krupp-Husten und Halsschmerzen helfen Fiebersaft oder Fieberzäpfchen mit Ibuprofen. Zusätzlich helfen ab dem 1. Geburtstag abschwellende Nasentropfen und Hustenbalsam zum Einreiben oder Inhalieren. Sinnvoll ist auch ein Thermometer zur Messung der Körpertemperatur. Darüber hinaus können die Eltern entscheiden, womit sie ihren Kindern und sich das Leben während der Infekttage angenehmer machen. Das können homöopathische oder pflanzliche Substanzen sein, eine Wärmflasche oder Hustensaft. Bei Magen-Darm-Beschwerden haben sich Fenchel-Anis-Kümmel-Tees als nützlich erwiesen, gerne mit etwas Zucker; die größeren dürfen auch Limonade oder Eistee trinken. Bei Erkältungskrankheiten sind Tees mit Salbei, Holunder oder Sanddorn sinnvoll. Ab einem Jahr kann man auch Milch mit Honig probieren. Die klassischen Halsschmerzen der Angina therapiert man (je nach Alter) mit einer kleinen Schale Eiscreme. Fieber senkt man ab ca. 39,5° Celsius. Wadenwickel macht man nicht mehr (alternativ eventuell feuchte Umschläge am Bauch). Grundsätzlich gilt die Faustregel: bei unkomplizierten Infektbeschwerden Fiebersaft oder Fieberzäpfchen und 20 Minuten warten. Dann die Situation neu bewerten.

Um gegen Schürfwunden gewappnet zu sein, sollte die Hausapotheke eine einfache Wundsalbe und Pflaster enthalten. Eine Zeckenzange ist nützlich (Zecke greifen und 20 Sekunden wackeln, dann ziehen).

Wenn dann alles Notwendige und Mögliche getan und vorbereitet ist, heißt es nur noch abwarten. Um gesund zu werden, braucht das Kind jetzt einfach Zeit und Ruhe. Hierbei hilft zunächst eine Krankschreibung durch die Ärztin bzw. den Arzt für die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber. Dann am besten ab aufs Sofa und in eine Decke kuscheln. Mit einem schönen Buch auf dem Schoss ist das auch richtig gemütlich. Allgemein gilt: Stress vermeiden und viel Zuwendung und Aufmerksamkeit schenken. Kinder essen wenig, wenn sie krank sind. Das ist normal und in Ordnung, sie sollten nicht zum Essen gezwungen werden. Ausreichend Trinken ist aber sehr wichtig.

Rehamaßnahmen und Eltern-Kind-Kuren

Rehamaßnahmen
Kinder mit schweren chronischen oder psychischen Erkrankungen können eine medizinische Rehabilitation nutzen. Sie soll Kindern (und Eltern) helfen, besser mit der Krankheit umzugehen und langfristige Folgen zu mildern. Die Rehabilitation dauert meist vier Wochen. Sie findet in einer Fachklinik statt. Eltern können jüngere Kinder begleiten. Der Antrag kann mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt ausgefüllt werden. Die Kosten werden von der Rentenversicherung übernommen.

Eltern-Kind-Kuren
Manchmal ist es sinnvoll, eine Auszeit für Mütter (oder Väter) und Kinder zu organisieren. Wenn der Stress zu viel geworden ist oder andere Belastungsfaktoren den Alltag beeinträchtigen, gibt es die Möglichkeit, Eltern und Kinder für drei Wochen in einer medizinisch betreuten Einrichtung an einem reizvollen landschaftlichen Ort entspannen zu lassen. Beim Antrag hilft die Ärztin bzw. der Arzt. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Eltern zahlen einen Eigenanteil von zehn Euro pro Tag, es sei denn, sie verdienen sehr wenig.

Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Krankheiten“

  • Kleine Kinder werden viel häufiger krank als große. Die Anzahl der unkomplizierten Infekte überwiegt aber bei weitem.
  • Ist das Kind erkrankt, gilt grundsätzlich: ruhig bleiben und entscheiden, ob Hausmittel reichen oder ob ein Arztbesuch notwendig ist. Auf diese Frage gibt es leider keine pauschale Antwort.
  • Sorgen sich die Eltern, wenden sie sich am besten an ihre Kinderärztin bzw. ihren Kinderarzt. Geht es dem Kind sehr schlecht, fährt man am besten in die Notambulanz der Kinderklinik oder ruft den Krankenwagen (Telefon: 112).
  • Zur Vorbeugung von Infekten helfen: Bewegung und frische Luft, eine vollwertige Ernährung, gut gelaunte Eltern und allgemeine Hygiene, z. B. Händewaschen.
  • In die Hausapotheke gehören: Fiebersaft mit Ibuprofen, Nasentropfen, Hustenbalsam, Fieberthermometer, Wundsalbe, Pflaster, ggf. eine Zeckenzange.
  • In besonderen Fällen können Eltern und Kind Rehamaßnahmen oder Kuren nutzen.

Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Krankheiten sind wichtig. Sie stärken das Immunsystem und fördern die Entwicklung. Für viele Erkrankungen im Kindesalter gibt es eine gute medizinische Lösung. Beim Arztbesuch gilt: Eltern sagen, was SIE denken, wie es IHNEN geht, und was SIE wollen. Das verhindert, dass man aneinander vorbeiredet oder Sorgen der Eltern nicht wahrgenommen werden.

Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Kinderkrankheiten werden kommen. 20 Mal im Jahr. Eltern können sich darauf vorbereiten. Und: Sie können sich Unterstützung in der Familie oder im Freundeskreis holen. Und: Bei Unklarheiten hilft die Kinderarztpraxis. Und: Am 3. Geburtstag ist die Infektzeit meist vorbei. Deshalb: Cool bleiben.

Liebe Familienpatin, lieber Familienpate, 

  • Ist ein Kind erkrankt, sorgen sich die Eltern. Das ist normal. Schenke den Eltern deshalb deine besondere Aufmerksamkeit und stehe ihnen in der Situation bei.
  • Denk daran, dass du die Familie nicht beraten musst. Sind sich die Eltern unsicher, gehen sie am besten zum Arzt. Gerne kannst du den Familien dafür Adressen von Ansprechpartner*innen geben. Dein Netzwerkbüro hilft dir dabei gern. Du kannst mit den Familien auch den Besuch bei der Ärztin bzw. dem Arzt vorbereiten und Fragen sammeln, die die Familie stellen will oder gemeinsam überlegen, was die Familie braucht.

Du möchtest dich oder deine Netzwerkfamilie möchte sich weiter zum Thema „Krankheiten“ informieren?

Im Infopool des Netzwerkes Gesunde Kinder gibt es sorgfältig ausgesuchte Literatur zum Weiterlesen. > zum Infopool „Krankheiten“

Autorenschaft 

Dr. med. Burkhard Kroll
Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Bad Belzig
Lenkungsgruppenmitglied im Regionalnetzwerk Gesunde Kinder Potsdam-Mittelmark
Straße der Einheit 28, 14806 Bad Belzig
E-Mail: kinderpraxis@krolls.net