1280
1160
1024
940
800
767
600
480
360
320

Vorbeugen | Impfungen

So heißt das Themenheft: Ein kleiner Piks für dein Kind, ein großer Schritt für seine Gesundheit

Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,

wenn du als Familienpatin bzw. Familienpate mit deiner Netzwerkfamilie über das Thema Impfen sprichst, kann es sein, dass diese skeptisch oder ablehnend gegenüber Impfungen eingestellt ist. Manche Familien möchten ihre Kinder nicht impfen, andere wiederum benötigen das Wissen um die Vorteile von Impfungen. Wichtig ist, dass deine Netzwerkfamilie über das Impfen Bescheid weiß und auf Grundlage dessen eine informierte Entscheidung trifft – sei es nun für oder gegen Impfungen. Du als Familienpatin bzw. Familienpate kannst mit deiner Netzwerkfamilie über das Thema sprechen. Verweise auch auf die ausführliche fachliche Beratung zu diesem Thema durch die Kinder- und Jugendärztin bzw. den Kinder- und Jugendarzt.

Bedeutung und Relevanz von Impfungen

Impfungen gehören zu den wichtigsten und erfolgreichsten vorbeugenden Maßnahmen des Infektionsschutzes. Sie schützen vor Ansteckungen mit übertragbaren Krankheitserregern, vor Folgen dieser Infektionen oder schwächen deren Verlauf ab. Mit Hilfe von Impfungen ist es gelungen, Infektionskrankheiten wie Pocken oder Kinderlähmung vollständig und weltweit zu eliminieren bzw. bis auf wenige Ausbruchsregionen zurückzudrängen.

In Deutschland besteht keine generelle Impfpflicht (Ausnahme: Masernschutzimpfung). Die Bürgerinnen und Bürger treffen auf der Grundlage von Wissen und Aufklärung eine individuelle Entscheidung für die Durchführung von Schutzimpfungen bei sich bzw. ihren Kindern. Im Falle drohender Seuchengefahren können Gesundheits­behörden, zum Beispiel über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), Maßnahmen zur Eindämmung wie Quarantäne, Riegelimpfungen oder die prophylaktische Ausgabe von Medikamenten anordnen.

Mit der Entscheidung für oder gegen eine Impfung wird nicht nur für sich selbst und seine Kinder Verantwortung übernommen, sondern auch gegenüber der Gemeinschaft. Impfen schützt vor lebensgefährlichen, teilweise nicht behandelbaren Infektionskrankheiten (Individualschutz), verhindert das erneute Ausbreiten vieler Infektionskrankheiten, die ausgerottet oder eingedämmt wurden und schützt andere Menschen, die nicht geimpft werden können (Herdenschutz), wie beispielsweise Personen mit eingeschränkter Funktion des Immunsystems.

Funktionsweise von Impfungen

Edward Jenner (englischer Landarzt, 1749 -1823) – auch „Vater der Immunologie“ genannt – machte die Beobachtung, dass mit Kuhpocken infizierte Melkerinnen immun gegenüber den humanen Pockenviren waren. Daraus leitete er die Impftechnik ab. Hierfür entnahm er Eiter aus den Kuhpocken der Melkerinnen und übertrug diese auf gesunde Personen.

Jenner wies nach, dass diese von nun an geschützt waren vor einer Erkrankung an den gefürchteten humanen Pockenviren. Dies führte zum ersten nennenswerten Erfolg im Kampf gegen Infektionskrankheiten.

Prinzipiell unterscheiden wir die aktive von der passiven Immunisierung.

Aktive Immunisierung bedeutet, abgeschwächte lebende Viren oder abgetötete Bakterien bzw. einzelne Bestandteile derer zu injizieren, d. h. durch eine Spritze zu verabreichen. Dies führt zur aktiven Entwicklung von Abwehrstrategien im menschlichen Körper (Antikörper- Gedächtniszellenbildung). Die Zeitdauer dieser aktiven Immunität (unempfänglich sein für Krankheitserreger oder deren Gifte) ist unterschiedlich. Deshalb müssen ggf. sogenannte Auffrischungs- oder Wiederholungsimpfungen erfolgen. Da unser Immunsystem (das menschliche Abwehrsystem, welches Gewebeschädigungen durch Krankheitserreger verhindert) abhängig von seinem Entwicklungsstand unterschiedlich gut reagieren kann, sind ggf. mehrere Impfungen für eine Grundimmunisierung erforderlich.

Eine passive Immunisierung liegt vor, wenn spezifische Antikörper aus menschlichem oder tierischem Serum, heute teilweise auch gentechnisch gewonnen, geimpft werden. Sie schützen den Körper eine gewisse Zeit, ohne dass dieser darauf eine eigene Immunantwort bilden kann.

Impfungen erfolgen überwiegend direkt in den Muskel (intramuskulär, bei Säuglingen im seitlichen Teil des Oberschenkelmuskels, bei älteren Kindern in den Deltamuskel des Oberarmes, dem Muskel, der über dem Schultergelenk liegt). Es gibt aber auch Impfungen, die unter die Haut erfolgen können oder auch müssen. Einzelne Impfungen können auch über den Darm erfolgen wie die Rotavirus-Schluckimpfung oder eine Schluckimpfung gegen Typhus. Für bestimmte Impfungen bedarf es besonderer Qualifikationen, die deshalb nur in gesonderten Impfstellen durchgeführt werden können (z. B. Gelbfieber-Impfung).

Empfohlene Impfungen

Welche Impfungen werden empfohlen?
Die Durchführung von Schutzimpfungen basiert auf den jeweils aktuellen Empfehlungen über öffentlich empfohlene, Indikations- und freiwillige Impfungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), den öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen des Landes Brandenburg und der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) der Krankenkassen / Krankenhäuser / Ärztinnen und Ärzte. Die Kosten für öffentlich empfohlene Schutzimpfungen werden von den Krankenkassen übernommen.

Bei Indikationsimpfungen (Impfungen für bestimmte Personengruppe, wie z. B. eine Zecken-Impfung für Försterinnen und Förster) sind ggf. andere Kostenträger zuständig, z. B. die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber. Auch Krankenkassen können Kosten für freiwillige oder empfohlene, aber (noch) nicht im Impfkalender verankerte Impfungen im Rahmen von Satzungsleistungen oder Kostenerstattungsverfahren übernehmen, wie beispielsweise Schutzimpfungen bei Reisen in andere Länder.

Die Übernahme der Kosten für den Impfstoff und die Impfleistung kann in diesen Fällen vor dem Impfen mit der jeweiligen Krankenkasse geklärt werden.

Sollten Eltern mit Ihren Säuglingen oder Kleinkindern ins außereuropäische Ausland reisen, werden möglicherweise weitere Impfungen empfohlen. Die Kinder- und Jugendärztinnen bzw. die Kinder- und Jugendärzte bieten dazu ausführliche Auskunft.

Im Infopool des Netzwerkes Gesunde Kinder findest du unter Vorbeugen – Impfungen eine aktuelle grafische Übersicht der Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission sowie weitere wichtige Informationen rund um das Thema Impfungen.

Pflicht der Masernimpfung
Am 14. November 2019 hat der Bundestag das Masernschutzgesetzt beschlossen. Das bedeutet, dass ab März 2020 folgende Personen die von der STIKO empfohlene Masernimpfung vorweisen müssen:

  • alle Schul- und Kindergartenkinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr,
  • alle Kinder, die von einer Kindertagespflegeperson betreut werden,
  • Personen, die in medizinischen oder Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind (geboren nach 1970),
  • Asylsuchende und Geflüchtete.

Der Nachweis kann durch das gelbe Kinderuntersuchungsheft, den Impfausweis oder ggf. ein ärztliches Attest bei der Leitung der jeweiligen Institution erbracht werden. Kinder, die bereits betreut werden, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen [3].

Zeitpunkte und Abstände der Impfungen
Viele Infektionskrankheiten sind besonders im Säuglings- und frühen Kindesalter komplikationsträchtig. Daher empfehlen Expertinnen und Experten einen möglichst frühen Aufbau des Infektionsschutzes durch Impfungen (Grundimmunisierung). Die im Impfkalender empfohlenen Zeitpunkte und Abstände von Impfungen zur Grundimmunisierung und Auffrischung sollten eingehalten werden. Das bedeutet aber nicht, dass im begründeten Fall nicht von diesem Schema abgewichen werden könnte oder ggf. auch muss. Eltern sprechen darüber am besten mit ihrer Kinder- und Jugendärztin bzw. ihrem Kinder- und Jugendarzt.

Während der Schwangerschaft
Wird ein Baby erwartet, ist es gut, auch den Impfschutz in der familiären Umgebung zu überprüfen und ggf. aufzufrischen. Das schließt neben den Eltern und Geschwistern auch die Großeltern und weitere Kontakt­personen wie z. B. Tagespflegepersonen und dich als Familienpatin bzw. Familien­pate ein. Noch besser wäre es natürlich, bereits bei der Familienplanung auch den Impfschutz im Blick zu haben. Die STIKO empfiehlt daher Frauen mit Kinderwunsch, sich bereits vor der Schwangerschaft insbesondere gegen Keuchhusten impfen zu lassen. Hierzu stehen Kombinationsimpfstoffe mit Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten zur Verfügung. Ebenso wird empfohlen, die Immunität gegenüber Röteln zu überprüfen. Die Infektion eines ungeborenen Kindes mit dem Rötelnvirus während der Schwangerschaft stellt ein hohes Risiko für Komplikationen und Fehlbildungen beim Kind dar (Rötelnembryopathie). Schwangere dürfen jedoch nicht gegen Röteln geimpft werden. Somit ist es sinnvoll, den Impfstatus bereits vor der Schwangerschaft zu überprüfen.

Sicherheitsstandards bei der Herstellung von Impfstoffen

Die Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen ist ein hochkomplexer Prozess und unterliegt strengen Kriterien (verschiedene Zulassungsstufen) und Qualitätskontrollen mit dem Ziel, hohe Sicherheitsstandards zu gewährleisten und Signale einer möglichen Sicherheitsgefährdung frühzeitig zu entdecken. Auch nach der Zulassung von Impfstoffen erfolgt eine Nachzulassungs-Beobachtung und -Beurteilung. Dazu ist es unerlässlich, dass aufgetretene, über das normale Maß hinausgehende Nebenwirkungen und unerwartete oder unerwünschte Wirkungen zuverlässig durch die impfende Ärztin bzw. den impfenden Arzt gemeldet werden. Sie sind in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtet, ernste und mit der erfolgten Impfung vermutlich verbundene Impfnebenwirkungen dem zuständigen Gesundheitsamt bzw. dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mit einem entsprechenden Meldeformular anzuzeigen.

Die Zulassung von Impfstoffen bzw. deren Erfolg kann unterschiedlich sein oder sich verändern, wenn in verschiedenen Regionen der Welt die vorherrschenden Untergrup­pen eines Erregers anders verteilt sind als die im Impfstoff konzipierte Zusammenset­zung, neue Erreger-Subtypen auftauchen oder infolge der „weggeimpften“ Subtypen andere Untergruppen oder auch andere Erregerspezies deren Platz einnehmen.

Folgende Institutionen kontrollieren die Sicherheit von Impfstoffen und bieten auch weitere Informationen zum Impfen an: national über das Paul-Ehrlich-Institut, das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesamt für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte (BfArM), europäisch über die European Medicines Agency (EMA) und global über die WHO (Vaccine Safety Net, Vaccine Adverese Effects Information Monitoring System, Active Vaccine Safety Surveillance).

Skepsis gegenüber Impfungen

Bei vielen Menschen lässt sich eine gewisse Verunsicherung über die Effektivität und Sicherheit von Impfstoffen beobachten. Die rasche mediale Verbreitung von Einzelfällen vermuteter Risiken und Nebenwirkungen, unabhängig davon, ob überhaupt ein kausaler Zusammenhang besteht bzw. entsprechende wissenschaftliche Unter­suchungen dazu durchgeführt worden sind, mag dazu beitragen. Viele Unsicherheiten und Argumente gegen das Impfen lassen sich jedoch rasch entkräften: 

„Die auftretenden Nebenwirkungen und Komplikationen sind nicht abschätzbar.“

Viele Eltern sorgen sich wegen möglicher Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen. Normale Impfreaktionen wie Rötungen und / oder Schwellungen halten nur wenige Tage an der Impfstelle an und beeinträchtigen das Befinden eher geringfügig. Seit der Verwendung von sterilem Einwegmaterial sind eitrige Impfabszesse praktisch verschwunden.

Fieber ist vielleicht das häufigste Symptom nach Impfungen. Es tritt gewöhnlich bei Konjugatimpfstoffen schon am Abend des Impftages auf und hält selten länger als 24 bis 48 Stunden an, in Ausnahmefällen auch einmal länger. Es betrifft besonders die kombinierten Tetanusimpfstoffe, Impfstoffe gegen Pneumokokken, Meningokokken und FSME.

Bei Virusimpfungen mit Lebendimpfstoff (besteht aus einer geringen Menge an lebenden, abgeschwächten Keimen) ist dies abhängig von der Inkubationszeit (Zeitspanne zwischen dem Anstecken und dem Ausbrechen einer Infektionskrankheit) der jeweiligen Viren. So kann bei der Impfung gegen Masern nach ca. 7 – 9 Tagen eine Fieberepisode mit begleitenden „Grippe-ähnlichen“ Symptomen, gefolgt von einem kurzzeitigen Hautausschlag auftreten.

Auch Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, mangelnder Appetit, erhöhte Reizbarkeit oder verstärktes Weinen können nach Impfungen kurzzeitig auftreten.

Dies ist eine natürliche Reaktion des Körpers. Der Körper beginnt, Antikörper zu bilden, die vor Infektionen mit dem Krankheitserreger schützen. Durch den Impfstoff werden das Immunsystem und seine Zellen aktiviert.

Die eben beschriebenen Symptome können die Folge sein. Der Einsatz von allgemeinen Maßnahmen zur Beruhigung und Fieber­senkung und ggf. die Gabe von fiebersenkenden bzw. schmerzlindernden Medikamenten entsprechend des Alters und des Gewichtes des Kindes sind erlaubt.

Über dieses normale Maß hinausgehende Reaktionen wie schrilles und lang anhaltendes Schreien, Verminderung des Muskeltonus (schlaffe Körperhaltung) mit eingetrübten Bewusstsein, Zeichen einer möglichen allergischen Reaktion oder ein etwaiger Krampfanfall bedürfen sofortiger medizinischer Abklärung. Nicht in jedem Fall liegt die Ursache jedoch in der durchgeführten Impfung. Eine sich zeitgleich manifestierende andere und zum Zeitpunkt der Impfung nicht ersichtliche Erkrankung könnte auch zu Fehlinterpretationen führen. Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht bei solchen Ereignissen eine ärztliche Meldepflicht.

Ebenso steht die Frage im Raum, ob Impfungen im Zusammenhang mit einer möglichen Erhöhung von Erkrankungen an Autismus, Entwicklungsverzögerungen oder ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung), an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder an Diabetes mellitus im Kindesalter oder dem plötzlichen Kindstod (SIDS) stehen könnten. Das Paul-Ehrlich-Institut hat dazu bereits 2009 eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht (BGesbl. 11/2009). Natürlich ist die medizinische Wissenschaft in der Verpflichtung, von Impfungen ausgehende mögliche Gefahren aufzudecken, Meldungen über Nebenwirkungen oder unerwartete oder unerwünschte Effekte gewissenhaft nachzugehen und ggf. entsprechende Studien durchzuführen und deren Ergebnisse öffentlich zu diskutieren. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, dass Impfungen bei korrekter Anwendung und bei Beachtung von bestimmten Risikogruppen (Menschen mit geschwächtem Immunsystem) oder bestimmter Kontraindikationen (schwere Hühnereiweißallergie, Einnahme bestimmter Medikamente) sicher und effektiv sind. Schwerwiegende Nebenwirkungen treten ausgesprochen selten auf. Sie stehen in keiner Relation zu den möglichen und vielfach häufigeren Folgeschäden durch die Erkrankung selbst. Impfen schützt. Impfen bedeutet, wirksam bestimmten Erkrankungen vorzubeugen.

„Viele Impfstoffe enthalten gefährliche Zusatzstoffe.“

Impfstoffe enthalten neben ihrem eigentlichen Antigen (attenuierte Viren oder Antigene bzw. Toxoide von Bakterien) eine Reihe von notwendigen Lösungsmitteln, Begleit- und Hilfsstoffen (Stabilisatoren, Konservierungsmittel und Wirkvermittler oder -verstärker). Dabei ist es in den modernen Impfstoffen gelungen, die Zahl der Nebenstoffe drastisch zu senken oder wie im Falle von Thiomersal (Natriumsalz einer organischen Queck-silberverbindung) ganz darauf zu verzichten.

Substanzen wie Aluminiumsalze (Aluminiumhydroxid, Aluminiumphosphat), Humanalbumin, 2-Phenoxythanol, Polygeline (Polymer aus abgebauter Gelantine mit Harnstoffbrücken), verschiedene Antibiotika (Streptomycin, Kanamycin, Neomycin, Polymxin B) und Formaldehyd standen bzw. stehen immer wieder unter kritischer Beobachtung.

„Impfungen – insbesondere 5- oder 6-fach-Impfungen sind ein massiver Eingriff in den jungen Organismus. Außerdem können Eltern aufgrund der vielen Kombinationsimpfungen ihre Kinder kaum noch gegen einzelne Krankheiten impfen.“

Impfstoffe können als Einzelimpfstoffe oder in Kombinationen vorliegen. Impfungen können einzeln oder in Kombination von mehreren Impfungen zum gleichen Zeitpunkt erfolgen. Dazu ist in jedem Fall die entsprechende Fachinformation durch die Kinder- und Jugendärztin bzw. den Kinder- und Jugendarzt zu beachten.

Die STIKO empfiehlt die Verwendung von Kombinationsimpfstoffen, um die Zahl der Injektionen möglichst klein zu halten. Auch werden so weniger enthaltene Zusatzstoffe geimpft. Kombinationsimpfstoffe sind im Allgemeinen sehr gut verträglich und überfordern auch den jungen Organismus eines Säuglings oder Frühgeborenen nicht.

„Durch den frühen Zeitpunkt der Impfung wird „künstlich“ in die Entwicklung des natürlichen Abwehrsystems eingegriffen und dieses Abwehrsystem empfindsam gestört.“

Diese Argumentation ist sachlich nicht richtig. In den ersten Lebenswochen verfügt das Baby über einen gewissen Schutz vor Infektionen (Leihimmunität; von der Mutter auf das Kind übertragene Antikörper). Zunehmend muss sich das Immunsystem des jungen Säuglings jedoch mit der umgebenden Umwelt auseinandersetzen. Das Immunsystem muss lernen, zu reagieren. Anfangs ist die Immunantwort eher schwach. Einige Krankheitserreger sind durch eine bestimmte „Bauweise“ besonders schwer für unser Immunsystem zu bekämpfen (z.B. mit Kapselbildungen bei Pneumokokken oder Haemophilusbakterien) oder sehr gefährlich durch ihre Toxine („Gifte“ wie beim Wundstarrkrampf oder der Diphterie). Die Virusimpfstoffe hingegen lassen das Kind die entsprechende Infektionskrankheit auf einem schwachen und weitgehend nicht gefährlichen Niveau „durchmachen“, so dass Antikörper und Immungedächtniszellen gebildet werden. Impfungen trainieren geradezu das Immunsystem.

„Das Durchmachen einer Infektion oder der Kinderkrankheiten Mumps, Masern, Röteln und Windpocken stärkt das Immunsystem des Kindes und bietet einen besseren Schutz als das Impfen.“

Im Falle von Keuchhusten und Rotavirusinfektionen trifft das nach heutigem Wissensstand zu. Allerdings ist die Komplikationsrate dieser Erkrankungen gerade im frühen Säuglingsalter und bei sogenannten „Risikobabys“ (Frühgeburt, Herzfehler oder Lungenprobleme) besonders hoch. Die Schutzrate ist sowohl nach einer durchgemachten Infektion als auch nach einer Impfung zum Teil unterschiedlich (sogenannte Nonresponder). Das kann im Immunsystem des Betroffenen, in der Variante des Krankheitserregers, im Impfstoff, seiner Lagerung oder Applikation begründet sein.

Die Serokonversion (Antikörperbildung, Nachweis im Blutserum) beim Masernimpfstoff liegt bei nahezu 95 Prozent, beim Windpockenimpfstoff nur bei 70 Prozent.

Die möglichen Komplikationen und Folgeschäden sogenannter Kinderkrankheiten sind in jedem Falle häufiger und schwerwiegender (z. B. späte zerstörende Hirnentzündung nach Masern; Hirnhautentzündung, Hodenentzündung oder Diabetes nach Mumps; schwere Windpockenverläufe bei Kindern mit Neurodermitis).

„Das Baby ist ausreichend durch die von der Mutter übertragenen Abwehrstoffe geschützt. Impfungen benötigt es deshalb nicht.“

Die Mutter überträgt bereits während der Schwangerschaft und durch die Muttermilch beim Stillen Abwehrstoffe auf ihr Kind. Daher verfügen Babys über einen zeitlich begrenzten Nestschutz gegenüber einer Reihe von Erkrankungen.

Dieser Nestschutz lässt jedoch nach den ersten Lebensmonaten nach, da die Abwehrstoffe vom körpereigenen Immunsystem des Kindes leider nicht nachgebildet werden können.

Beim Stillen mit Muttermilch wird auch die Entwicklung des Darm-assoziierten Immunsystems gestärkt. Stillen kann Impfen jedoch nicht ersetzen. Eine natürliche Geburt stärkt die Abwehrkräfte des Babys. Auf dem Weg durch den Geburtskanal nimmt das Kind praktisch die Bakterienflora der Mutter mit, welche dann die Grundlage zur Entwicklung des eigenen Mikrobioms (Besiedlung der Häute und Schleimhäute mit schützenden Mikroorganismen) darstellt.

„Homöopathie oder andere Maßnahmen der Alternativen Medizin schützen vor Infektionskrankheiten.“

Vielleicht kann man Symptome lindern, aber die Infektion als solche lässt sich durch homöopathische Globuli, Tinkturen, Bachblüten und ähnliches nicht beeinflussen. Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, lobte geradezu in seinem „Organon“ „[…] die Wohltat welche die Menschheit durch die Anwendung der Kuhpocken-Einimpfung erfuhr, dass dadurch der Eingeimpfte von aller künftigen Menschenpocken-Ansteckung frei erhalten und gleichsam schon im Voraus geheilt ward, …“ [1, 2].

Auch das RKI setzt sich mit den Argumenten gegen das Impfen auseinander. Auf seiner Website werden unter dem Reiter Infektionsschutz Informationen über das Thema Impfen bereitgestellt. Auch finden sich hier verschiedene Fakten zu häufigen Impfmythen.

Tipps für den Besuch bei der Kinder- und Jugendärztin bzw. beim Kinder- und Jugendarzt

Abhängig vom Alter und Entwicklungsstand des Kindes sollte dieses in die Aufklärung und Vorbereitung der geplanten Impfung einbezogen werden. Auf Aussagen wie: “Das tut nicht weh.“, oder „Du brauchst keine Angst zu haben.“, wird besser verzichtet. Natürlich schmerzt der Piks und natürlich sind die meisten Kinder etwas ängstlich.

Ruhiges und sachliches Handeln der an der Impfung beteiligten Personen, ein freundlicher Blick und ein paar aufmunternde Worte helfen eher; ebenso das Sitzen auf dem Schoß der Mutter/des Vaters (ggf. auch Großelternteil oder andere Bezugsperson) oder ein kurzes Ablenken („Drück mal die Hand der Mutti ganz fest.“, Musik, kurze Spiele oder vielleicht auch ein Video) können die Impfung erleichtern. Bei Säuglingen und Kleinstkindern erleichtern das Stillen, der Schnuller oder etwas gesüßter Tee das Impfen und reduzieren die Schmerzempfindung deutlich. 

Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Impfungen“

  • Impfen schützt und bedeutet, wirksam bestimmten Erkrankungen vorzubeugen.
  • Impfungen sind sicher und überwiegend gut verträglich.
  • Impfen ist ein effektiver und ökonomischer Gesundheitsschutz.
  • Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen gegenüber sich selbst, seinen Kindern und der Gemeinschaft.
  • Es ist wichtig, dass Familien über das Impfen Bescheid wissen und eine informierte Entscheidung treffen.

Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Die Bedeutung und Gefährlichkeit von vielen Infektionskrankheiten sind in den entwickelten Ländern vielfach aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden.
Globalisierung, Fernreisen, veränderte Umweltbedingungen und Migration begünstigen jedoch eine (erneute) rasche Ausbreitung von Infektionskrankheiten oder das Auftreten neuer oder bisher in Europa nicht präsenter Infektionen.
Die Förderung und Stärkung des Impfgedankens ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wobei den im Gesundheitsbereich handelnden Akteurinnen und Akteuren eine besondere Verantwortung obliegt.

Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Impfen bedeutet, eine verantwortungsvolle individuelle und gemeinschaftliche Entscheidung zu treffen.
Mit Impfungen verbundene Fragen und Ängste sind verständlich und müssen offen besprochen werden.

Liebe Familienpatin, lieber Familienpate, 

du hast dich entschieden, Familien mit ihren jungen Kindern zu begleiten und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das verdient höchste Achtung und Anerkennung.

Das Thema „Impfen“ spielt gerade in den ersten Jahren eines Kindes als Teil des primären Gesundheitsschutzes eine wichtige Rolle. Gilt es doch, mittels eines umfassenden Impfschutzes die Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten zu verhindern bzw. den Krankheitsverlauf abzumildern. Alle Kinder sollten vor impfpräventablen Erkrankungen (Erkrankungen, die durch Impfungen vermieden werden können) bewahrt werden.

Bereite dich insbesondere im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen auch auf das Thema „Impfen“ vor.

Begegne den Fragen der von dir begleiteten Familien zu Impfungen offen und empathisch und hilf dabei, das Wissen um die Bedeutung und den Nutzen von Schutzimpfungen zu verbreiten und etwaige Ängste abzubauen. Ungeklärte Fragen kann deine Netzwerkfamilie mit in die Sprechstunde der betreuenden Kinder- und Jugendärztin bzw. des betreuenden Kinder- und Jugendarztes nehmen.

Die betreuende Kinder- und Jugendärztin bzw. der betreuende Kinder- und Jugendarzt berät die Eltern fachlich kompetent und umfassend zu den anstehenden Impfungen und weiß gegebenenfalls, wie bei bestimmten Erkrankungen des zu impfenden Kindes, Risiken oder Kontraindikationen vorzugehen ist.

Du möchtest dich oder deine Netzwerkfamilie möchte sich weiter zum Thema „Impfungen“ informieren?

Im Infopool des Netzwerkes Gesunde Kinder gibt es sorgfältig ausgesuchte Literatur zum Weiterlesen. > zum Infopool „Vorbeugen“

Autorenschaft und Literatur

Autorenschaft
Dipl.-Med. Detlef Reichel
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Vorsitzender des Landesverbandes der Brandenburger Kinder- und Jugendärzte im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.
Friedenskamp 38, 17291 Prenzlau
Tel.: 03984 801960
E-Mail: dm.reichel@medpz.de

Verwendete Literatur
[1]   A. Mueller, Unheil-Praktiker. Wie Heilpraktiker mit unserer Gesundheit spielen. München: Riemann-Verlag, 2016.
[2]   S. H. Nolte, Maßvoll impfen. Risiken abwägen und individuell entscheiden. Eine Orientierungshilfe für Eltern. München: Verlag Kösel, 2018.
[3]   BMG – Bundesministerium für Gesundheit, „Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen,“ 2019. Online verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht.html. [Zugriff am 27. 11. 2019].