So heißt das Themenheft: Wenn ein kleines Geschwisterchen hinzukommt
Nicht nur sich selbst, sondern auch die Kinder auf die neue Situation vorbereiten
Ein neues Geschwisterchen bringt einige Veränderungen in den Familienalltag. Bereiten die Eltern ihr erstes Kind bzw. die anderen Kinder auf das neue Familienmitglied vor, hilft dies bei der Umstellung auf die neue Situation. Während der Schwangerschaft können die Eltern dem Kind von dem neuen Geschwisterchen erzählen und es z. B. den Bauch der Mama fühlen lassen. Sie können erzählen, wie es wird, wenn das Geschwisterchen da ist, von der Schwangerschaft berichten und Fotos von sich als Säugling zeigen. Eltern können mit dem Kind auch gemeinsam Kinderbücher ansehen und besprechen, die die Schwangerschaft, die Geburt und das Leben mit Geschwistern zeigen. Je nach Alter können die Eltern das Kind auch in die Vorbereitung einbeziehen und z. B. gemeinsam überlegen, was vor der Geburt noch erledigt werden muss [1, 2].
Nach der Geburt müssen alle in der Familie – also Mama, Papa und Kind(er) – ihren neuen Platz finden und sich sortieren. Das kann manchmal etwas dauern, ist aber ganz normal.
Geschwister einbeziehen und beteiligen
Nach der Geburt kann das ältere Geschwisterkind, je nach Alter und Entwicklungsstand, in die Pflege des Kleinen einbezogen werden, z. B., indem es die Windeln beim Wickeln reicht oder mit den Eltern gemeinsam ein Schlaflied singt. Die Eltern können ihm zeigen, wie es sein Geschwisterchen berühren und, wenn es alt genug ist, halten kann. Sie können es auch ermuntern, Zeit mit dem Baby zu verbringen, z. B. durch Kuscheln. So fühlt es sich nicht ausgeschlossen und der Körperkontakt kann die Beziehung zwischen den Geschwistern stärken [1, 2].
Wichtig ist dabei: Kinder sind keine Babysitter. Ältere Geschwister müssen deutlich älter sein, um die Betreuung eines Geschwisterchens übernehmen zu können. Erst mit etwa 14 Jahren sind Kinder so weit, vorausschauend und vorbeugend zu handeln. Gleichzeitig setzt bei vielen Kindern im Alter von 14 Jahren aber auch ein riskantes und selbstüberschätzendes Verhalten ein. Besonders in riskanten Situationen, z. B., wenn sich das Kind in Wassernähe oder auf dem Wickeltisch befindet, braucht es daher die Aufsicht von Erwachsenen [3].
In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, dem älteren Kind zu erklären, dass manche Dinge gefährlich für das Baby sind, z. B. kleine Gegenstände wie Nüsse oder Spielzeugteile, da es sich daran verschlucken und ersticken kann. Wenn das Baby mobil wird, können Eltern und Kind gemeinsam die Wohnung „babysicher“ machen [3].
Eifersucht und Rivalität
Eifersucht auf Geschwister ist ein normales kindliches Verhalten. Kommt ein neues Geschwisterchen auf die Welt, erfahren die Erstgeborenen, dass sie nicht mehr die einzig wichtigen im Leben ihrer Eltern sind, denn die Eltern kümmern sich nun gleichzeitig um einen weiteren Menschen. Die Erstgeborenen müssen nun, vor allem am Anfang, die Aufmerksamkeit der Eltern teilen. Das kann zu Eifersucht und Rivalität führen. Manchmal fallen ältere Geschwister auch wieder in frühere Verhaltensweisen zurück. Sie brauchen z. B. wieder eine Windel oder möchten wieder gefüttert werden, obwohl sie bereits selbstständig essen können. Es kann auch passieren, dass sich Kinder wünschen, dass Geschwisterchen wieder wegzugeben [4, 1].
Wichtig ist, dass auch die Erstgeborenen Zuwendung und gemeinsame Zeit mit den Eltern erhalten, um zu erfahren, dass sie ihren Eltern immer noch genauso wichtig sind wie früher. Auch sie brauchen einige schöne Momente pro Tag allein mit ihren Eltern. Den Wunsch der Älteren nach Zuwendung abzulehnen und das Kind daran zu erinnern, dass es älter ist und sich vernünftiger verhalten sollte, wird die Eifersucht nur noch vergrößern [1].
Auch Verwandte und Bekannte können der Eifersucht entgegenwirken, indem sie bei Besuchen nicht nur dem Baby, sondern auch dem älteren Geschwisterkind weiterhin Aufmerksamkeit und Interesse entgegenbringen [2].
Äußern sich ältere Geschwister negativ über das Baby, tut es ihnen gut, wenn Eltern sie ernstnehmen. Indem sie dem Kind zuhören, seine Meinung respektieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, zeigen sie ihm, dass es ihnen genauso wichtig ist [1]. Es kann z. B. helfen, dem Kind einen Platz zu geben, an dem es ohne Störung durch das Baby spielen kann [2].
Zudem neigen manche Eltern sicherlich unbewusst dazu, dem älteren Geschwisterkind Pflichten und Aufgaben aufzubürden, weil es „älter“ ist. Wenn das „Ältersein“ häufig darin resultiert, dass mehr Pflichten oder unangenehme Aufgaben erledigt werden müssen, wird das ältere Kind sehr bald Unmut zeigen [4, 5].
Wichtig ist, die Bedürfnisse aller Kinder möglichst ausgeglichen und altersentsprechend zu erfüllen und zu beantworten. Vergleiche unter den Kindern helfen wenig und führen schnell zu Frustration. Jedes Kind hat eigene Stärken und die gilt es wertzuschätzen. Dies ist sicherlich manchmal schwierig, da Geschwisterkinder sehr unterschiedlich sein können. Hier brauchen Kinder feinfühlige Eltern, die sich auch mal hinterfragen, innehalten und sich selbst reflektieren [1, 4, 5]. Es ist wichtiger denn je, dass sich Eltern gut abstimmen und sich z. B. abwechselnd Freiräume für das ältere bzw. die älteren Kinder schaffen. Das entlastet alle, doch besonders die Mutter, die vor allem am Anfang viel Zeit für das Stillen des Säuglings benötigt, und sorgt für eine gute Stimmung bei allen Beteiligten.
Wichtig ist auch die gemeinsame Zeit für die gesamte Familie, so dass alle zumindest punktuell etwas zusammen machen. So finden alle ihren Platz in der Familie und das (neue) Rollengefüge wird gestärkt.
Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Geschwister“
- Eine gute Vorbereitung hilft Kindern, sich auf ein Geschwisterchen einzustellen.
- Geschwister sind keine Babysitter, sie können aber, wenn sie mögen, an der Pflege der kleinen Geschwister beteiligt werden.
- Jedes Kind braucht einige Momente am Tag allein mit den Eltern oder einem Elternteil.
Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Jedes Geschwisterkind braucht exklusive Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern.
Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Manchmal erscheint es nicht leicht, allen Kindern gleich gerecht zu werden. Feinfühligkeit und Selbstreflexion sowie eine gute Abstimmung zwischen den Eltern helfen dabei.
Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,
hör der Familie bei diesem Thema zu und geh auf Unsicherheiten und Sorgen ein. Falls sich die Familie Sorgen macht, frag nach, warum und was sie selbst dagegen tun könnte. Unterstütze die Eltern mit (Nach-)Fragen zur Selbstreflektion und rege sie zum Nachdenken an: z. B. Warum / In welchen Situationen empfindest du das so? Wie war es im letzten Monat, ähnlich oder anders? Kannst du bzw. könnt ihr etwas an der Situation ändern? Was wünschst du dir von deinem Partner bzw. deiner Partnerin?
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Autorenschaft und Literatur
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Mitarbeiterin im Familienzentrum, Elternberatung an der Fachhochschule Potsdam, Kompetenzzentrum Frühe Hilfen / Landeskoordination Frühe Hilfen im Rahmen der Bundesstiftung Frühe Hilfen (BMFSFJ, MBJS)
Kiepenheuerallee 5, 14469 Potsdam
Tel.: 0331 2700574
E-Mail: kontakt@familienzentrum-Potsdsam.de
Website: www.familienzentrum-potsdam.de
Verwendete Literatur
[1] Bayerisches Landesjugendamt – Zentrum Bayern Familie und Soziales, „Geschwister,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.elternimnetz.de/familie/veraenderungen/geschwister.php. [Zugriff am 18 06 2019].
[2] Y. von Wulfen, K. Wichmann und R. Born, „Familienzuwachs – Wie Sie Ihr Kind auf ein neues Baby vorbereiten,“ 2013. Online verfügbar unter: https://www.familienhandbuch.de/familie-leben/familienformen/geschwister/familienzuwachswiesieihrkindaufeinneuesbabyvorbereiten.php. [Zugriff am 18. 06. 2019].
[3] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Thema Geschwister,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/sicher-aufwachsen/
sicherheit-im-alltag/geschwister/. [Zugriff am 18. 06. 2019].
[4] R. H. Largo, Babyjahre – Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, München: Piper, 2017.
[5] U. Diekmeyer, Handbuch für Eltern – Das Kind von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr, München: BLV Verlagsgesellschaft, 1993.