So heißt das Themenheft: Brabbeln, blubbern und beobachten
Überblick: Was sind häufig wichtige Themen in diesem Zeitraum?
Die Zeit vom dritten bis sechsten Lebensmonat könnte auch als Wonnezeit beschrieben werden. Das Baby ist in der Regel von Grund auf zufrieden, sofern die Bedürfnisse nach Nähe, Zuwendung und Erkunden ebenso wie die körperlichen Bedürfnisse gestillt werden. Es ist angekommen in der Welt. Dies ist die Zeit, in der es gern vor sich hinplappert, brabbelt und viel im Kontakt mit der Bezugsperson lächelt [1]. Aber auch der eigene Wille bildet sich nun langsam aus und es gibt möglicherweise die ersten kleinen Konflikte, denn nicht alles, was ein Säugling untersuchen möchte, ist für ihn geeignet. Sobald ein Elternteil dem Kind Dinge wie Brille, Fernbedienung oder Telefon aus der Hand nimmt, sind nicht selten das Geschrei und der Protest groß [3]. Die Eltern werden es schnell merken, denn plötzlich wird das Kind ungeduldiger und strampelt sich dann sogar energisch aus den Armen heraus, wenn es etwas Interessantes entdeckt und dorthin will. Meist ist das in dem Zeitraum auch ansatzweise schon möglich. Drehen und Robben stehen nun auf Babys Trainingsplan. Das sind die Vorstufen zum Krabbeln. Sie stärken die Rücken- und Bauchmuskulatur. Manche Säuglinge wollen sich auch schon hinsetzen oder hinstellen. Das ist aber für die sich entwickelnde Wirbelsäule noch nicht gesund und kann zu Fehlhaltung führen. Säuglinge brauchen das Hinsetzen und Stehen noch nicht üben.
Entwicklungsschritte
Motorische Entwicklung
- Die Bewegungen sind zwar immer noch eher grob und ungenau, werden aber zunehmend zielgerichteter und feiner.
- Die Kontrolle des Rumpfes und der oberen Körperpartie nimmt zu. Säuglinge können den Kopf halten, z. B., wenn sie auf dem Arm getragen werden.
- Wenn Säuglinge auf dem Bauch liegen, dann können sie den Kopf von einer Unterlage anheben und sich in der Bauchlage im Unterarmstütz oder im Handwurzelstütz halten.
- Säuglinge versuchen, sich umzudrehen oder zumindest, auf die Seite zu rollen. Gegen Ende des sechsten Monats drehen sie sich häufig bereits nach beiden Seiten [4]. Damit steigt die Unfallgefahr, z. B., wenn sich Kinder auf hohen Gegenständen befinden, wie dem Wickeltisch oder dem Sofa. Wenn sie sich hier drehen, können sie leicht herunterfallen.
- Insbesondere im Zeitraum zwischen dem dritten und sechsten Monat üben Säuglinge das Greifen mit den Händen [2]. Auch vorher ergreifen Säuglinge kleine Gegenstände automatisch, die ihnen in die Hand gegeben werden. Dafür ist der Greifreflex verantwortlich.
- Mit ca. vier bis sieben Monaten gelingt den Kindern die sogenannte Hand-Augen-Koordination immer besser: die Handbewegungen werden durch das Auge so weit gesteuert, dass Gegenstände mit beiden geöffneten Händen berührt und ergriffen werden können. Häufig werden die Gegenstände auch zum Mund geführt. Das bringt für Kinder aber auch Gefahren mit sich, da sie sich z. B. an Kleinteilen verschlucken können, die sie erkunden wollen oder verbrennen, wenn sie Tassen mit heißen Getränken umstoßen.
- Nach sechs Monaten können viele Säuglinge einen Gegenstand von einer in die andere Hand legen [5].
- Die motorische Entwicklung ist eng verknüpft mit der Entwicklung in den anderen Entwicklungsbereichen, und es scheint kein Zufall zu sein, dass das Wort „begreifen“ für „verstehen“ gewählt wurde [2]. Babys greifen einen Gegenstand, ertasten ihn, erfahren den Gegenstand im Mund und „begreifen“ seine Größe, die Oberfläche, das Gewicht, die Temperatur usw. So wird aus greifen – begreifen.
Kognitive Entwicklung
- Säuglinge im Alter von drei Monaten erkennen erste einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. So wurden in einem Experiment Mobiles und die Füße von darunterliegenden Säuglingen mit einem Band aneinandergebunden. Die Säuglinge verstanden schnell, dass ihr Strampeln das Mobile in Bewegung setzte [5].
Sprachliche Entwicklung
- Babys „brabbeln“ viel. Vokale und Konsonanten wechseln sich dabei ab [3].
- Säuglinge versuchen nun seltener durch Schreien auf sich aufmerksam zu machen. Sie haben nun zunehmend die Sicherheit, dass jemand kommt, wenn sie schreien und werden demensprechend ruhiger. Sie setzten stattdessen mehr Laute und Geräusche, ihre Mimik und Körpersprache ein.
- Säuglinge spielen gern mit Speichel, der Zunge und den Lippen und probieren sich aus mit mehreren Lautfolgen, Pusten oder auch Sabbern [1]. Sie trainieren ihre Mundbewegungen, um später auch komplizierte Worte nachsprechen zu können.
- Säuglinge brauchen weiterhin Personen, die viel mit ihnen reden. Durch übertriebene Satzmelodien, Betonungen und Wiederholungen verinnerlichen und erkennen sie Wörter besser wieder. Auch Vorlesen, Singen und das Aufsagen von Abzählreimen hilft Kindern beim Erlernen einer Sprache.
Soziale und emotionale Entwicklung
- Der eigene Wille entwickelt sich [3].
- Säuglinge lassen sich von den Stimmungen der Bezugsperson „anstecken“ [2].
- Babys zeigen allmählich, dass ihre wichtigsten Bezugspersonen eine besondere Rolle spielen. Sie unterscheiden zunehmend zwischen vertrauten und unvertrauten Menschen. Nicht mehr alle Personen können sie schnell zum Lachen bringen oder trösten.
Schwerpunktthema Beziehungsverhalten: Mit einer guten Bindung im Gepäck erkundet es sich leichter
In der Regel lernt ein Kind in den ersten drei Monaten, an wen es sich wenden muss, wenn es emotionale Nähe und Zuwendung braucht, wenn es getröstet oder beruhigt werden will, wenn es Hunger oder Durst hat oder wenn es irritiert ist: die engsten Bezugspersonen [2]. Es wendet sich nun gezielt an sie. Das Kind streckt zumeist freudig die Arme entgegen, wenn es hochgenommen werden will [3] und kommuniziert auf nonverbale Weise. Wenn das Kind lächelt und die Eltern lächeln zurück, fühlt sich das Kind bestätigt. Es erfährt, dass es etwas bewirken kann. Das stärkt sein Selbstbewusstsein und motiviert es, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. In der restlichen Zeit ist es in der Regel damit beschäftigt, die Welt zu erkunden. Bei kurzer Abwesenheit sucht es nach der Bezugsperson. Zu weit entfernen darf diese sich daher nicht [3]. In der Regel reagiert das Kind bereits auf die direkte Ansprache und kann eine wohlwollende, aufmunternde Stimme von einem verbietenden Ton (Nein!) unterscheiden [3].
Beschäftigung: Was können die Eltern alles mit ihrem Kind unternehmen?
Jedes Kind entwickelt sich individuell. Eltern können die Entwicklung nicht beschleunigen, jedoch unterstützen.
Das Spielen ist hierfür besonders wichtig, denn in den ersten Lebensjahren lernen Kinder durch Spielen [5]. Das Spielen ist dabei anders, als wir es von Erwachsenen oder Kindern kennen. Für Säuglinge bedeutet spielen: beobachten, fühlen und tasten, hören und brabbeln. Säuglinge brauchen Anregungen, um die Welt zu erkunden und sie brauchen vielseitige Möglichkeiten, um sich selbstwirksam zu fühlen. Damit ist gemeint, dass sie sich zutrauen, Tätigkeiten eigenständig und erfolgreich umzusetzen. Außerdem brauchen Säuglinge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktivität und Ruhe. Zu viele Anregungen können sie überfordern.
Viele Eltern fragen sich, welche Interessen ihr Kind hat und womit sie seine Entwicklung fördern können: dies ist abhängig vom Alter und den Fähigkeiten des Kindes. Wenn sich ein Kind mit einem Gegenstand oder einer Tätigkeit ausgiebig und hoch konzentriert beschäftigt, entspricht genau das seinem Interesse und seinem Entwicklungsstand [6]. Dann ist alles gut, so wie es ist.
Eine Anregung kann alles sein, wofür sich ein Säugling interessiert. Gekauftes Spielzeug ist noch nicht notwendig. Eine kleine Plastikflasche gefüllt mit Reis, die beim Bewegen Geräusche macht oder zusammengebundene Knöpfe sind spannende Gegenstände für Säuglinge, die jeder zu Hause hat. Auch eine Plastikschüssel oder ein Holzlöffel können ihn lange beschäftigen. Generell gilt bei dem Thema: weniger ist mehr. Wenn ein Kind mit einem Gegenstand noch nichts anzufangen weiß, kann man ihn zu einem späteren Zeitpunkt erneut anbieten [7]. Zudem: Ist ein Kind mit Ausdauer und offensichtlicher Hingabe mit Etwas beschäftigt, dann braucht es kein weiteres Spielzeug. Es hat genug damit zu tun, das erste Objekt ausgiebig zu erkunden [2].
Während ihrer wachen Zeit untersuchen Kinder in der Regel alles sehr ausgiebig und genau. Ein Gegenstand wird abgetastet, in den Mund genommen, von rechts nach links gedreht, geschüttelt, gedrückt oder es wird damit gehämmert. Zudem mögen Kinder Wiederholungen [3]. Es kann durchaus sein, dass es sich für die Eltern nach einer Ewigkeit anfühlt, die ein Kind mit dem einen „Untersuchungsgegenstand“ verbringt. Dies hat aber den Vorteil, dass sich ein Säugling zunehmend mit sich selbst beschäftigen kann. Die Eltern sind nicht mehr die alleinigen Spielpartner*innen [1]. Dies ist eine Entlastung. Dennoch brauchen Kinder weiterhin die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Die Eltern können den Entdeckungsdrang ihres Kindes unterstützen, indem sie mit ihm sprechen und sein Tun benennen, etwas vormachen, das Kind verschiedene Dinge berühren lassen oder ihm Gegenstände geben, die es aus der Hand verloren hat und an die es allein nicht mehr herankommt. So sind sie der „sichere Hafen“, von dem aus das Kind die Welt erkunden und in den es zurückkehren kann, wenn es müde, ängstlich oder gestresst ist von seiner Erkundungstour [1].
Wenn das Baby auf dem Boden, zumeist auf dem Rücken, liegt, ist es generell sehr aktiv: Arme und Beine werden bewegt und die Füße untersucht. Zudem macht es verschiedene Mundbewegungen, um die Lautbildung zu üben. Häufig spielen Kinder auch mit ihren „Spuckebläschen“ oder stecken sich die ganze Faust in den Mund [3].
Durch erste Krabbel- und Drehversuche sind sie fähig, sich interessanten Gegenständen zuzuwenden, sich nach diesen zu strecken, nach ihnen zu greifen oder sie wegzuwerfen [1]. Gerne wird ein Gegenstand von der linken Hand in die rechte Hand gegeben und umgekehrt. Zudem ist es möglich, dass ein Kind in dem Alter die Funktion seiner Spielzeuge kennt und weiß, was es damit anstellen kann. Jedoch ist es möglich und nicht verwunderlich, dass es noch nicht so geschickt ist, dies auch zu tun. Hierfür ist die Hand-Augen-Koordinierung noch nicht geübt genug [3].
Beschäftigungsideen:
- Am Ende des fünften oder sechsten Monats beginnt die Zeit, in der „Kuckuck“- und Versteckspiele höchst amüsant werden [3].
- Faszinierend ist auch: einen Ball auf und ab springen lassen, etwas schütteln, schlagen im Topf und auf den Topf, etwas im Wind flattern und klappern lassen [3]. Die Eltern müssen sich das Kind als einen Wissenschaftler bzw. eine Wissenschaftlerin vorstellen, der bzw. die durch Probieren versucht, die Naturgesetze zu verstehen.
- Das Rollen vom Rücken auf den Bauch können Eltern spielerisch unterstützen. Wenn das Kind auf dem Rücken liegt, können sie seitlich von ihm einen interessanten Gegenstand halten, den das Kind sehen kann. Anfeuern, Motivieren und ein Lob sind wichtig, wenn es gelingt [3]. Gern kann das Kind dabei nackt sein, um die Beweglichkeit zu unterstützen [3]. Das Zurückdrehen auf den Rücken fällt manchmal noch schwer. Eltern dürfen hier gerne unterstützen.
Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Entwicklung: 3 bis 6 Monate“
- Das Erkundungsverhalten eines Säuglings zwischen drei und sechs Monaten besteht aus Beobachten, Erfühlen und Ertasten mit Mund und Händen.
- Säuglinge üben insbesondere das Greifen („Be-greifen“). Die Bewegungen werden aber auch im Allgemeinen geübt. Deshalb ist es wichtig, dass sich das Kind frei bewegen kann. Am besten liegt es dafür sicher auf dem Boden.
- Auch, wenn ein Kind den Inhalt noch nicht versteht, braucht es Bezugspersonen, die viel mit ihm sprechen. Es lernt durch Zuhören und übt durch „brabbeln“. Eltern sprechen am besten über das, was sie gerade (mit dem Kind) machen oder vorhaben. So entsteht ein direkter Bezug zu den Wörtern.
Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Aus Greifen wird Begreifen. Kinder besitzen ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich mit der Welt vertraut zu machen, Gegenstände zu ergreifen und mit Mund und Augen zu erforschen. Hierfür brauchen sie die Unterstützung ihrer Eltern bzw. Bezugspersonen.
Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Kinder möchten die Zusammenhänge zwischen ihrem eigenen Verhalten und der Umwelt entdecken. Dafür brauchen sie Anregungen und den Austausch mit Eltern oder Bezugspersonen, die ihnen Handlungen und Gegenstände erklären und sich mit dem Kind über seine neuen Errungenschaften freuen und es loben.
Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,
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Verwendete Literatur
[1] R. H. Largo, Babyjahre – Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, München: Piper Verlag GmbH, 2017.
[2] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Gesund groß werden – Eltern-Ordner zum gesunden Aufwachsen und zu den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder U1-U9 und J1, Köln, 2013.
[3] H. Dr. van de Rijt und F. X. Dr. Plooij, Oh je, ich wachse!, München: Wilhelm Golmann Verlag, 2015.
[4] BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. „Entwicklungskalender“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/mediathek/entwicklungskalender/. [Zugriff am 04. Oktober 2018].
[5] K. Hille, P. Evanschitzky und A. Bauer, Das Kind – Die Entwicklung in den ersten drei Jahren, Bern / Köln: hep verlag ag, 2016.
[6] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Entwicklung im Wechselspiel von Anlagen, Anregung und Erfahrungen“ 2014. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/entwicklungsschritte/entwicklungsgrundlagen/ [Zugriff am 11. Oktober 2018].
[7] U. Diekmeyer, Handbuch für Eltern, München: BLV Verlagsgesellschaft mbH, 1993.