So heißt das Themenheft: Willkommen auf der Welt / Das Schreien der Babys
Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,
sicher bist du sehr gespannt auf das erste Kennenlernen des Kindes. Die Entwicklung eines Kindes zu begleiten, ist für die Eltern und auch für Außenstehende eine aufregende Zeit. Einige Fortschritte sind sehr offensichtlich, wie beispielsweise das Wachsen des Säuglings, andere sind erst auf den zweiten Blick erkennbar, wie z. B. die geistige Entwicklung. In den Entwicklungstexten informieren wir dich über die Entwicklung eines Kindes. Zu wissen, welche Entwicklungsschritte ein Kind durchläuft, hilft Eltern und Bezugspersonen dabei, die Welt aus dem Blickwinkel eines Kindes zu sehen. Das trägt dazu bei, das Verhalten und die Bedürfnisse des Kindes besser zu verstehen und entsprechend reagieren zu können. Dieses Verständnis gibt Eltern ein Gefühl der Sicherheit im Umgang mit ihrem Kind.
Überblick: Was sind häufig wichtige Themen in diesem Zeitraum?
Säuglinge haben bereits viele Fähigkeiten: bis auf den Sehsinn sind alle Sinne voll ausgereift. Sie sind von Natur aus sehr interessiert an menschlichem Kontakt und Beziehungen und sie haben ein angeborenes Interesse am menschlichen Gesicht und an der Stimme [1]. Bereits am dritten Tag nach der Geburt können sie die Stimme von Mutter und Vater wiedererkennen und einige mimische Ausdrücke widerspiegeln [2]. Trotz ihrer bereits entwickelten Fähigkeiten haben Säuglinge aber auch noch viel zu lernen: die Regulierung der Körperfunktionen (z. B. des körpereigenen Wärmehaushalts oder der Verdauung), die Regulierung der Emotionen (Säuglinge sind schnell überfordert und können sich noch nicht von allein beruhigen) und das Erlernen eines Schlaf- und Wachrhythmus. Zudem ist es wichtig, eine Beziehung zu seinen Bezugspersonen aufzubauen. Wird ein Säugling bei all diesen Anpassungsprozessen von seinen Eltern unterstützt, dann wird er mit zunehmender Entwicklung lernen, sein Verhalten zu steuern und sich zu regulieren [3]. Eltern können sich dabei meistens auf ihre Intuition verlassen. Sie machen intuitiv schon sehr viel richtig. Dieses „intuitive Elternverhalten“ ist evolutionsbedingt bestens an die Lernbedürfnisse ihrer Kinder angepasst [2].
Vorweg sei betont: jedes Kind entwickelt sich individuell. Kinder unterscheiden sich sehr häufig im Tempo und auch in der Art und Weise ihrer Entwicklung [1]. So krabbeln beispielsweise nicht alle Kinder, bevor sie laufen lernen. Ob sich das Kind gut entwickelt, untersucht die Kinderärztin bzw. der Kinderarzt vor allem während der Früherkennungsuntersuchungen, auch U-Untersuchungen genannt. Ist deine Netzwerkfamilie über das Wachstum oder die Entwicklung besorgt, verweise auf die U-Untersuchungen und motiviere die Eltern, die Kinderärztin bzw. den Kinderarzt noch einmal konkreter danach zu fragen. Wie sich die Familie auf die U-Untersuchungen vorbereiten kann, kannst du in den Texten zu den „U-Untersuchungen“ lesen.
Entwicklungsschritte
Motorische Entwicklung
- Die motorische Entwicklung beschreibt, wie der Körper reift und wie Kinder lernen, sich zu bewegen. Motorische Aktivität bedeutet erst einmal, dass Säuglinge ihre Muskeln gebrauchen. Die motorische Kontrolle der Bewegungen breitet sich vom Kopf zu den Füßen aus. Zunächst sind die Bewegungen eher zufällig und ungeordnet. Erste geordnete Bewegungen des Kopfes erfolgen z. B. auf akustische Signale. Danach erfolgen zunehmend geordnete Bewegungen der Arme und Beine. Zum anderen gehen grobmotorische Bewegungen, also Aktivitäten größerer Muskelgruppen des Rumpfes oder der Beine den feinmotorischen, meist kleinräumigen Bewegungen einzelner Körperteile, z. B. der Hände, voraus.
- Nach der Geburt können Säuglinge ihren Kopf noch nicht allein halten. Sie sind darauf angewiesen, dass die Eltern ihr Köpfchen halten. Sie brauchen diese Unterstützung so lange, bis sie ihren Kopf selbst heben können. Nach drei Monaten schaffen es viele Säuglinge ihr Köpfchen anzuheben und sich auf die Unterarme zu stützen [4]. Aber auch danach kann die Unterstützung durch die Eltern hilfreich sein.
- Säuglinge können sich in den ersten drei Monaten noch nicht eigenständig drehen. Deshalb brauchen sie regelmäßig einen Positionswechsel. Eltern legen sie im wachen Zustand am besten ab und zu in die Bauch- und Rückenlage und für kurze Zeit halb aufrecht (z. B. auf dem Arm, einer Decke oder der Babywippe) [1].
- Das Strampeln ist wichtig für einen Säugling. Dadurch wird die Muskulatur gekräftigt. Sie hat in den letzten Wochen vor der Geburt aufgrund von Platzmangel im Mutterleib abgebaut [5].
Kognitive Entwicklung
- Die kognitive Entwicklung beschreibt, wie sich das Denken und die Aufmerksamkeit entwickeln. Dazu gehören: Informationen aufnehmen (z. B. Beobachten und Wahrnehmen), Informationen bearbeiten (z. B. Denken und Planen) und Informationen abgeben (Kommunizieren und Handeln) [4].
- Von Geburt an nehmen Säuglinge ihre Umwelt bereits mit allen Sinnen wahr.
- In den ersten drei Monaten müssen sie vor allem lernen, ihre Aufmerksamkeit zu steuern. Säuglinge lernen in ihren wachen Phasen das Wesentliche vom Unwesentlichen zu filtern. Sie konzentrieren sich immer mehr auf die Eindrücke, die wichtig sind.
Sprachliche Entwicklung
- Das Thema Sprache und Verstehen beschreibt, wie Kinder sprechen und verstehen lernen.
- Säuglinge teilen ihre Bedürfnisse und Gefühle durch Schreien mit, aber auch durch Gesichtsausdrücke, Blicke, Laute, Körperhaltungen und Bewegungen.
- Säuglinge lernen durch Zuhören und Nachmachen. Sie brauchen jemanden, der viel mit ihnen spricht [1]. Spielzeuge sind dabei nicht notwendig. In dem Alter können sich Kinder noch nicht so gut konzentrieren. Spielzeuge irritieren daher eher.
- Säuglinge reagieren positiv auf die „Babysprache“. Sie sind fasziniert von einer hohen Stimmlage und übertriebenen Betonungen. Da sie noch nicht so viel aufnehmen können, mögen sie kurze und einfache Sätze und viele Wiederholungen.
Soziale und emotionale Entwicklung
- Die soziale Entwicklung beschreibt, wie Kinder Beziehungen zu anderen Menschen herstellen. Die Entwicklung der emotionalen Kompetenz beinhaltet das Wissen (ich kenne meine Gefühle und die anderer), den Ausdruck (ich kann meine Gefühle angemessen mit Gesichtsausdrücken und Körpersprache ausdrücken) sowie die Regulation (ich kann mit meinen Gefühlen umgehen).
- Sozial-emotionale Kompetenzen entwickeln sich insbesondere im Austausch mit anderen Menschen [5]. Kinder brauchen hierfür Anregungen. Eine gute Anregung in dieser Zeit ist dabei immer eine Kombination aus: Sprache, Gesichtsausdruck, Blickkontakt und Körperkontakt.
Schwerpunktthema Schreien: Warum schreien Neugeborene und wie können Eltern sie beruhigen?
Sicherlich ist den frisch gebackenen Eltern bereits aufgefallen, dass ein Neugeborenes viel schreit und eventuell fragen sie sich, ob das noch „normal“ ist. Säuglinge schreien, um ihre Bedürfnisse zu zeigen [6]. Das Schreien ist immer ein Hilferuf. Die Gründe können vielseitig sein: Hunger, Verlangen nach Nähe und Zuwendung, Übermüdung, Überreizung, fremde Umgebung oder Personen oder schlichtweg das Entleeren von Darm und Blase [7]. Aber keine Angst. Wenn die Eltern viel Zeit mit ihrem Kind verbringen, werden sie bald erkennen können, welches Bedürfnis das Kind hat. Rasch auf ein Bedürfnis zu reagieren, hat in diesem Alter nichts mit „Verwöhnen“ zu tun. Für einen Säugling fühlt es sich „nach einer Ewigkeit an“, wenn nicht sofort auf ein Bedürfnis reagiert wird und er in seiner Not allein gelassen wird. Denn ein Säugling hat noch kein Zeitempfinden. Er muss erst lernen, unangenehme Bedürfnisse aufzuschieben [6]. Wenn er Langeweile, Hunger oder Unwohlsein verspürt, muss er lernen, mit diesen „negativen“ Gefühlen umzugehen. Er versucht sie zu bewältigen, indem er strampelt und schreit. Im weiteren Entwicklungsverlauf hängt es davon ab, wie die Umwelt reagiert: verstehen die Eltern die Botschaft, dass sich das Kind unwohl fühlt und handeln schnell, so dass sich das Kind beruhigt, erlebt das Kind Geborgenheit und Vertrauen [8]. Studien konnten zeigen, dass Säuglinge, die angemessen und prompt getröstet wurden, in der Regel weniger schrien, wenn sie älter waren [6].
Die üblichen und bewährten Beruhigungsmethoden, die Erwachsene instinktiv anwenden, sind: das Kind anschauen und beruhigend mit ihm sprechen, es berühren oder streicheln, Lieder vorsingen, das Kind auf den Arm nehmen und halten, wiegen und herumtragen [1]. Da jedes Kind einzigartig ist, bevorzugt jedes Kind eine andere Methode. Hier heißt es: ausprobieren. Eine weitere Methode ist, einen Schnuller oder Finger zum Saugen geben. Säuglinge haben ein ausgeprägtes Saugbedürfnis, daher gibt es eine große Anzahl von Schnullern bzw. Nuckeln zur Beruhigung. Sie können jedoch nicht die Liebe ersetzen, die Bezugspersonen dem Kind geben können. Zudem haben Säuglinge ein größeres Saugbedürfnis, wenn sie Hunger haben. Sie brauchen daher vielleicht eher Milch als einen Nuckel [9].
Um Schreiperioden zu verkürzen, hilft es einen regelmäßigen Tagesablauf einzuhalten, an die Luft zu gehen, sich mit dem Kind zu beschäftigen oder es am Tag regelmäßig bei sich am Körper zu tragen [1].
Erfahrungsgemäß ist die Schreientwicklung eines Kindes häufig wie folgt: das Schreien nimmt bis zur sechsten Lebenswoche zu, um dann bis zum dritten Lebensmonat abzunehmen. Dann haben die meisten Säuglinge gelernt, dass jemand hilft und können etwas länger abwarten [1].
Das Ausmaß und die Dauer des Schreiens sind abhängig vom kindlichen Temperament und nicht jedes Schreien ist sofort verständlich. Manchmal finden Eltern keinen Grund für das Schreien und fühlen sich hilflos und ohnmächtig [1]. Doch auch wenn die Nerven der Eltern noch so blank liegen, niemals darf ein Kind geschüttelt werden, um es zu beruhigen. Ein Kind kann ein Schütteltrauma erleben, eine Behinderung erleiden oder schlimmstenfalls sogar sterben [1]. Die SOS-Tipps für Situationen, in denen das Kind lange schreit und nicht beruhigt werden kann, lauten: das Kind sicher ablegen, kurz aus dem Zimmer gehen, sich selbst beruhigen, eine Freundin oder jemanden aus der Familie anrufen. Wichtig ist, bei den Beruhigungsversuchen ruhig zu bleiben. Säuglinge spüren, wenn Eltern hektisch sind und werden dadurch noch unruhiger.
Wenn das Schreien zu einer zu großen Belastung wird, brauchen sich die Eltern nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gute Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner sind: Kinderärztinnen bzw. Kinderärzte, Hebammen oder die Frühen Hilfen vor Ort.
Es gibt Kinder, die schreien besonders abends viel und lassen sich nicht mehr oder nur sehr schwer beruhigen, sogenannte „Schreikinder“. Dies beginnt sehr häufig ab der zweiten Lebenswoche [10]. Eine Ursache können Regulierungsstörungen sein. Auch in diesen Situationen brauchen die Kinder die liebevolle Begleitung der Eltern. Sorgen sich die Eltern oder haben sie Fragen, können sie sich ebenfalls ruhig an Kinderärztinnen bzw. Kinderärzte, Hebammen oder die Frühen Hilfen vor Ort wenden.
Bindung: Was ist Bindung und wie entsteht sie?
Evolutionsbedingt sorgt die Bindung zwischen einem Säugling und seinen Bindungspersonen, zumeist den Eltern, dafür, das Überleben zu sichern [1]. Ein Säugling kann ohne Fürsorge nicht überleben. Er ist auf Erwachsene angewiesen, die ihn ernähren, wärmen, wickeln, bewegen, mit ihm sprechen, kuscheln, ihn trösten und vieles mehr.
Mit viel Vertrauen in die Bindungspersonen und Erfahrungen mit dieser kann das Kind die Welt erkunden. Denn es weiß, dass es sich bei Angst, Not oder Schrecken an diese wenden kann und Schutz und Sicherheit suchen und erfahren kann. Dabei geht es nicht nur um die physische Betreuung und Versorgung. Bindung ist laut Definition die innere Verbundenheit, die emotionale Beziehung, das emotionale Band zwischen dem Kind und den Eltern, das besonders in Anforderungs- oder Notsituationen bedeutsam und sichtbar wird. Die Bindung führt dazu, dass sich Eltern und Kind vertrauen, besser kennenlernen und der Austausch liebevoll stattfindet [11].
Eine vertraute Bindungsperson hat vor allem die Aufgabe, das Kind zu (be)schützen, es zu beruhigen, zu ermutigen und ihm zu helfen, mit den Anforderungen der Umwelt zurecht zu kommen.
Eine Bindung baut sich anfangs auf durch viel Körperkontakt zwischen Neugeborenem, Mutter und Vater (Tragen, Trösten und Streicheln), durch Stillen bzw. Füttern und viel feinfühlige Zuwendung. Besonders nach der Geburt tut es einem Säugling gut, viel Körperkontakt zu seinen Eltern zu haben. Dafür kann das Kind auf den nackten Bauch oder den nackten Arm gelegt werden. So können sich Eltern und Kind „Haut an Haut“ spüren. Das Kind gewöhnt sich so an den Geruch und die Stimmen der Eltern. Dieser Akt kurz nach der Geburt wird „Bonding“ genannt [10]. Er hilft beim Start in die Bindungsbeziehung zwischen den Eltern und dem Säugling. Das Tragen und der enge Körperkontakt geben dem Säugling Geborgenheit, Sicherheit und Halt. Bei all den Veränderungen, die er nach der Geburt durchmachen muss, ist der enge Körperkontakt etwas Vertrautes. Deshalb wirken gewohnte Geräusche wie z. B. der Herzschlag und die Stimme der Mutter oder des Vaters beruhigend [5]. Außerdem sind es Gesten, Blicke und Berührungen, die eine Bindung anfangs fördern [9]. Auch Verliebte erkennt man daran, dass diese einander oft in die Augen schauen. Die Zuwendung ist in diesem Fall ganz exklusiv. Die volle Aufmerksamkeit richtet sich auf den Liebenden.
Eine Bindung entsteht auch aufgrund der Erfahrung, nicht allein gelassen zu werden, wenn Hilfe gebraucht wird. Diese Verlässlichkeit ist besonders wichtig [10]. Denn Bindung entsteht vor allem in herausfordernden Situationen. Diese stärken das emotionale Band zwischen Kind und Erwachsenen. Die Mutter oder der Vater – bzw. eine der Bindungspersonen – sollte im ersten Lebensjahr immer in Reichweite des Kindes bleiben und das Kind nicht länger mit einer anderen Aufsichtsperson allein lassen [12]. Durch diese wiederkehrende gemeinsame Erfahrung bildet sich Vertrauen aus. Denn eine Bindung ist abhängig von der gemeinsam verbrachten Zeit und beruht nicht auf Verwandtschaftsgraden. Nur weil man die Großmutter ist, ist man nicht automatisch eine Bindungsperson. Auch andere Personen sind in der Lage, durch viel gemeinsame Zeit und Erlebnisse eine Bindung mit dem Kind aufzubauen [1].
Die Bindungsbeziehung zu den Eltern bzw. den ersten Bezugspersonen entwickelt sich während der ganzen Kindheit weiter [1]. Mit zunehmendem Alter kommen weitere Bezugspersonen hinzu. Die Qualität der Bindungen kann dabei unterschiedlich sein.
Die Bindung zu den Eltern bzw. den ersten Bezugspersonen hat Auswirkungen auf das spätere Verhalten des Kindes. Studien zeigen, dass sich Kinder mit sicheren Bindungserfahrungen insgesamt besser entwickeln [9].
Beschäftigung: Können Neugeborene bereits spielen?
Im Allgemeinen ist das Spielen eines Kindes gleichbedeutend mit Lernen und Erfahrungen sammeln [1]. Es ist essenziell, um Sinneserfahrungen zu machen, sich weiterzuentwickeln und die Umwelt zu begreifen [14].
Für ein Neugeborenes bedeutet das kindliche „Spielen“, dass sich die Bezugspersonen mit ihm beschäftigen. Einem Neugeborenem reicht es aus, wenn es schauen, beobachten und zuhören kann. Spielzeug ist noch nicht notwendig. Wendet sich ein Säugling aktiv seinen Eltern zu, können sie auf ihn eingehen. Sie können ihn berühren und streicheln, ihm etwas vorsingen und mit ihm sprechen. Schaukeln macht Freude und dient nicht nur der Beruhigung [15]. Beim Schaukeln und „Quatsch machen“ braucht das Köpfchen jedoch noch Unterstützung. Neben den Anregungen durch die Bezugspersonen braucht das Kind aber auch Ruhepausen [1]. Ermüdungserscheinungen sind: Blick abwenden, unruhiger werden, Gähnen oder gerötete Augen [8]. Müde Babys sind schnell überreizt und wenn etwas zu viel wird, reagieren sie verständlicherweise unleidlich.
Zudem sind während des gemeinsamen kommunikativen Spiels die emotionalen Reaktionen der Eltern förderlich für die Entwicklung. Lob, Unterstützung, Anerkennung und das Widerspiegeln der Reaktionen des Säuglings stärken das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung des Kindes. Bekommt das Kind die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern, merkt es, dass es seinen Eltern wichtig ist. Es ist langweilig für das Kind und wenig hilfreich für seine Entwicklung, wenn die Eltern nur körperlich anwesend sind. Ein Säugling merkt, wenn sich die Bezugspersonen innerlich anderen Aktivitäten zuwenden. Er erlebt dann emotional abwesende Eltern, was verunsichern kann [12].
Zudem brauchen Säuglinge Zeit, selbst zu reagieren [16]. Das stärkt ihr „Selbstbewusstsein“ und fördert ihre Motivation.
Eine weitere „Spielart“ ist das Kennenlernen der eigenen Hände. Die Finger werden in den Mund gesteckt und betastet. Dies bereitet das Greifen vor [1].
Beschäftigungsideen
- Das eigene Gesicht vor dem Gesicht des Babys bewegen, Abstände langsam verringern oder vergrößern.
- Grimassen schneiden und die kindliche Mimik nachmachen.
- Lieder vorsingen oder Gedichte aufsagen.
- Beim Wickeln die Beinchen bewegen, das Bäuchlein anpusten, Streicheln oder sanfte Babymassagen durchführen.
- Beim Baden ein wenig mit Wasser spritzen oder etwas vorsingen.
- Dem Baby die Abläufe, Situationen und mögliche Wahrnehmungen und Erfahrungen mit kurzen und einfachen Sätzen beschreiben.
- Das Baby nicht nur in Babyschale, Wippe, Kindersitz oder andere Sitz- bzw. Liegemöbel legen, sondern auch auf einer Decke auf dem Boden mit ihm in Kontakt sein.
Schlussfolgernd bedeutet dies:
Neben den körperlichen Bedürfnissen (Hunger, Durst, Schlaf, Wärme, Sauberkeit) haben Säuglinge weitere Bedürfnisse:
- Soziale Anregung durch Sprache und Gesichtsausdrücke, z. B. dem Säugling etwas vorsingen oder mit ihm sprechen und ihn dabei anschauen.
- Sozialer Austausch durch Berührung und Umweltreize, z. B. streicheln, massieren oder spazieren gehen und andere Menschen beobachten.
- Aktive Bewegung, z. B., indem das Kind auf einer Decke auf dem Boden liegt, wo es Beinchen und Ärmchen frei bewegen kann.
- Erforschen, z. B. das Kind die eigenen Hände und Finger sowie die der Bezugsperson anfassen lassen.
Darüber hinaus brauchen Säuglinge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktivität und Ruhe. Ermüdungserscheinungen sind z. B.:
- Blick abwenden oder starren,
- Gähnen oder schlaff werden,
- Meckern, quengelig oder unruhig werden,
- Gerötete Augen [8].
Noch eine Anmerkung: Eltern müssen nicht perfekt sein. Eltern dürfen nicht perfekt sein. Kleine Fehler und Missverständnisse in der Kommunikation sind erlaubt und helfen, um sich und sein Kind besser kennenzulernen. Signalisiert das Kind, dass eine Reaktion nicht die passende war, können die Eltern ihr Verhalten verändern und so beim nächsten Mal besser auf ihr Kind reagieren. Wenn Eltern in den meisten Fälle feinfühlig sind, dann gelingt der Start ins Leben gut und die Kinder werden sich in der Regel gesund entwickeln.
Die wichtigsten Botschaften zum Thema „Entwicklung: o bis 3 Monate“
- Jedes Kind ist einzigartig. Es entwickelt sich in seinem eigenen Tempo.
- Mögliche Erkrankungen oder Auffälligkeiten in der Entwicklung können bei den U-Untersuchungen (U1 – U9) frühzeitig erkannt und damit häufig erfolgreich behandelt werden.
- Entwicklungsziele der ersten Monate sind: Körperfunktionen regulieren und einen Schlaf- und Wachrhythmus erlernen.
- Eine Bindung entsteht durch viel Körperkontakt, prompte Hilfe bei Irritationen (z. B. durch Tragen, Trösten und Streicheln), Stillen bzw. Füttern und feinfühliger Zuwendung.
- Zügig auf das Schreien des Kindes einzugehen ist wichtig. Es hat nichts mit Verwöhnen zu tun, sondern fördert die Bindung.
- Säuglinge dürfen niemals geschüttelt werden.
- Wird das Schreien eines Säuglings zu einer großen Belastung, sollten die Eltern Hilfe in Anspruch nehmen, auch bei allen anderen Unsicherheiten und Fragen.
- Während der Beschäftigung benötigt das Kind eine unmittelbare Reaktion der Eltern. Zudem sollte das Kind ausgeruht und satt sein.
- Säuglinge sind bereits fähig zu merken, dass Eltern von Medien oder anderen Tätigkeiten abgelenkt sind, und das irritiert sie.
- Kleine Missverständnisse in der Kommunikation können passieren. Sie helfen Eltern und Kind sich besser kennenzulernen.
Die zentrale fachliche Kernbotschaft
Ein Säugling braucht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anregung und Ruhe.
Die zentrale emotionale Kernbotschaft
Werden viele Bedürfnisse des Säuglings gestillt und ausreichend gut beantwortet, wird er sich in der Regel gesund entwickeln. Sind Eltern unsicher, brauchen sie sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ansonsten gilt es, die gemeinsame Zeit auszukosten und zu genießen.
Liebe Familienpatin, lieber Familienpate,
- Schau und staune gemeinsam mit den Eltern, wie sich das Kind entwickelt.
- Gib den Eltern ein gutes Gefühl, indem du die von dir beobachteten Potentiale und Stärken im Umgang mit dem Baby ansprichst.
- Beschäftige dich und sprich mit dem Säugling bei deinen Besuchen, wenn die Eltern das möchten.
- Gerne kannst du die Eltern auf die Merkblätter zur seelischen Gesundheit von Kindern hinweisen oder die Filme gemeinsam mit den Eltern ansehen. Du findest die Filme und weitere Informationen zu dem Thema auf der Website seelisch-gesund-aufwachsen.de. Hier gibt es zu jeder U-Untersuchung einen neuen Film. Wir haben die Seite auch in unserem Infopool verlinkt.
- Eltern fühlen sich gerade in der ersten Zeit unsicher. Beruhige die Eltern, indem du berichtest, dass es vielen Eltern so geht und dass es mit der Zeit besser wird. Wenn Eltern dies erfahren, entspannen sie sich in der Regel.
- Sorgt sich deine Familie, verweise sie an Hebammen, Kinderärztinnen bzw. Kinderärzte, den öffentlichen Gesundheitsdienst, Anlaufstellen der Frühen Hilfen oder Frühförderstellen. Weitere Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Eltern z. B. auf der Website elterninfo.de.
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Im Infopool des Netzwerkes Gesunde Kinder gibt es sorgfältig ausgesuchte Literatur zum Weiterlesen. > zum Infopool „Entwicklung“
Autorenschaft und Literatur
Autorenschaft
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Fachliche Beratung
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Dipl. Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin
Mitarbeiterin im Familienzentrum, Elternberatung an der Fachhochschule Potsdam, Kompetenzzentrum Frühe Hilfen / Landeskoordination Frühe Hilfen im Rahmen der Bundesstiftung Frühe Hilfen (BMFSFJ, MBJS)
Kiepenheuerallee 5, 14469 Potsdam
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Prof. Dr. Barbara Höhle
Professorin für Psycholinguistik mit dem Schwerpunkt Erstspracherwerb an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam
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Alice Salomon Platz 5, 12627 Berlin
Tel.: 030 99245 423
E-Mail: anja.voss@ash-berlin.eu
Verwendete Literatur
[1] R. H. Largo, Babyjahre – Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, München: Piper Verlag GmbH, 2017.
[2] H. Kasten, „Entwicklungspsychologische Grundlagen der frühen Kindheit und frühpädagogische Konsequenzen,“ 2014. Online verfügbar unter: https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_kasten_2014.pdf. [Zugriff am 27. 11. 2018].
[3] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Die „Aufgaben“ der ersten Monate,“ Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/entwicklungsaufgaben/. [Zugriff am 20. 09. 2018].
[4] H. Katrin, E. Petra und B. Agnes, Das Kind – Die Entwicklung in den ersten drei Jahren, Bern / Köln: hep verlag ag, 2016.
[5] U. Diekmeyer, Handbuch für Eltern, München: BLV Verlagsgesellschaft mbH, 1993.
[6] IFP – Staatsinstitut für Frühpädagogik, „Stark durch Bindung. Tipps zur elterlichen Feinfühligkeit in den ersten Lebensjahren,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.bestellen.bayern.de/application/eshop_app000004?SID=899355208&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY:’10010544′,BILDxCLASS:’Artikel‘,BILDxTYPE:’PDF‘). [Zugriff am 14. 09. 2018].
[7] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Ein lautstarkes Signal: Schreien,“ 2019. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/schreien/. [Zugriff am 18. 09. 2018].
[8] G. Diem-Wille, Das Kleinkind und seine Eltern – Perspektiven psychoanalytischer Babybeobachtung, Stuttgart: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co., 2003.
[9] BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Das Baby – Informationen für Eltern über das erste Lebensjahr,“ 2008. Online verfügbar unter: https://www.fachdialognetz.de/fileadmin/pfm/formUploads/files/BZgA%202016%20Das%20Baby-Ein%20Leitfaden%20für%20
Eltern.pdf. [Zugriff am 19. 10. 2018].
[10] BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V., „Was ist ein Schreibaby,“ 2018. Online verfügbar unter: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/schreibaby-regulationsstoerung-veraltet-dreimonatskoliken/was-ist-ein-schreibaby/. [Zugriff am 21. 11. 2018].
[11] IFP – Staatsinstitut für Frühpädagogik, „Frühe Eltern-Kind-Bindung – wie gehe ich feinfühlig mit meinem Kind um?,“ o. J.. Online verfügbar unter: https://www.familienhandbuch.de/babys-kinder/entwicklung/saeugling/bindung/FrueheElternKindBindung.php. [Zugriff am 19. 09. 2018].